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Beruf und Familie leichter in Einklang bringen

Uni Bielefeld und Bertelsmann Stiftung kooperieren - Unterstützung von Diplomarbeiten

Bielefeld (sas). Familienfreundlichkeit in Unternehmen zu verankern, betont Rocco Thiede, sei ein Unterfangen, das bei der Bertelsmann Stiftung Chefsache sei. Und so hat sich Liz Mohn als stellvertretende Vorstandsvorsitzende persönlich des Themas angenommen. Es gibt und gab Gespräche mit den zuständigen Ministerien, Unternehmertage über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, verschiedene Programme »vor der Haustür« - und seit gestern offiziell auch eine Kooperation mit der Universität Bielefeld.

Danach fördert die Bertelsmann Stiftung für die Dauer ihres Projektes »Balance von Familie und Arbeitswelt«, das bis 2009 angelegt ist, wirtschaftswissenschaftliche Diplomarbeiten. »Wir tragen Kosten, die anfallen, zum Beispiel im Rahmen von empirischen Studien die Kosten für Reisen«, erklärt Projektleiter Thiede. Und ködert Diplomanden mit der Aussicht, dass ihre Arbeiten nicht in einem Archivregal verschwinden, sondern die Ergebnisse in das Stiftungsprojekt einfließen. Eine der ersten Diplomandinnen, die sich, obgleich der Kooperationsvertrag erst gestern unterschrieben wurde, bereits an die Arbeit gemacht haben, ist Claudia Molenda. Mit den »Barrieren der Förderung von Beruf und Familie in mittelständischen Unternehmen« hat sie sich befasst und dafür im Raum Gütersloh 17 Unternehmen befragt. Denn nicht nur »best practice«-Beispiele sollten untersucht werden, so Prof. Dr. Fred Becker, der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Organisation und Personal lehrt. Die Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung, so seine Erfahrung, sei bei empirischen Studien ein »Türöffner« für die Diplomanden.
»Unsere Mitarbeiter haben keinen Bedarf nach Kinderbetreuung« oder »Unsere Mitarbeiter haben keine kleinen Kinder mehr« waren typische Aussagen, die Claudia Molenda zu hören bekam. »Es gibt oft ein Problem der Kommunikation«, folgert Thiede: Die Arbeitnehmer tragen ihr Anliegen oft nicht vor, die Arbeitgeber ahnen nichts vom Bedarf. Und wenn, so Molendas Erfahrung, wissen sie oft nicht, was sie tatsächlich tun könnten.
Dabei gäbe es eine Fülle der Möglichkeiten, meint Birgit Wintermann, die im Kreis Gütersloh das Lokale Bündnis für Familien koordiniert und ebenfalls von der Bertelsmann Stiftung unterstützt wird. So könnte die Arbeitsorganisation flexibilisiert werden, könnte man an Telearbeitsplätze, Jahresarbeitszeitkonten oder »Sabbaticals« denken, unterstützende Serviceleistungen (wer betreut kurzfristig mein Kind?) oder auch Belegplätze in benachbarten Kindertagesstätten wären eine Chance. »Und manches davon kostet kein oder kaum Geld.« Davon abgesehen, habe eine Prognos-Studie ergeben, dass Investitionen sich rasch rechnen.
Und gut ausgebildete Mütter zu binden, so Becker, rechne sich allemal: »Sie sind betriebstreuer« - wenn sie die Chance haben, Familie und Beruf zu vereinen. Immerhin 80 Prozent der Mütter, weiß Winterberg, streben das an.
Ein Umdenken sei nötig, sagt Thiede. »Unser Ziel ist, Bewusstsein zu bilden.« Familienfreundlichkeit, meint er, sollte auf der Agenda von Unternehmen unter den »Top Ten« rangieren. »Der demographische Wandel und damit der Fachkräftemangel werden kommen.« Dabei wollen sich die Beteiligten nicht auf Arbeitnehmer mit Kindern konzentrieren: Auf so manchen werde zukommen, Eltern betreuen zu müssen. »Die Familie erlebt eine Renaissance. Die Menschen denken über Werte nach«, bilanziert Thiede.

Artikel vom 15.12.2006