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»Wir haben nichts
zu verlieren«

Handball-Frauen gegen Russland

Göteborg (dpa). Die Teilnahme an der EM und der WM ist gesichert, nun locken die erste Medaille seit WM-Bronze 1997 und als Krönung die mögliche Olympia-Qualifikation.

Vier Jahre nach den Männern greifen auch die deutschen Handball-Frauen im Stockholmer Globen-Komplex nach einer Europameisterschafts-Medaille. Fünf Siege in sechs Spielen haben der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) die Furcht vor Weltmeister Russland als Gegner im Halbfinale am Samstag (14.30 Uhr/DSF) genommen.
»Erst kommt das Halbfinale. Das wollen wir gewinnen. Da denkt niemand an die Olympia-Qualifikation«, sagte Bundestrainer Armin Emrich nach dem mühsamen 23:20-Erfolg gegen Mazedonien. Nur der Europameister sichert sich den ersten Platz bei den Olympischen Spielen 2008.
Im anderen Halbfinale treffen Titelverteidiger Norwegen und Frankreich aufeinander. »Ich habe schon so viele Spiele gespielt, aber noch nie ein Finale. Ich würde so gerne noch mal gegen Norwegen spielen«, meinte Torjägerin Grit Jurack und wünschte sich eine Revanche gegen die Skandinavierinnen für die 22:27-Niederlage aus der Vorrunde.
Doch ist der Champions-League-Siegerin vom dänischen Top- Club Viborg HK auch klar, dass in Weltmeister Russland der wohl dickste Brocken noch bevorsteht. »Die werden uns nicht unterschätzen. Das wird eine Abwehrschlacht. Aber die haben genauso viele Spiele hinter sich wie wir«, meinte die 29 Jahre alte Mannschaftskapitänin. Zuletzt hat eine deutsche Frauen-Auswahl 1994 in einem EM-Finale gestanden und gegen Norwegen verloren.
In ihrer Rolle des David gegen Goliath fühlen sich die Spielerinnen um Torjäherin Nadine Krause uns Grit Jurack wohl. »Es ist egal, wer kommt. Wir sind gut drauf und haben nichts mehr zu verlieren«, sagte Spielmacherin Maren Baumbach (Trier). »Ich habe schon vor zwei Monaten zu Norwegens Trainerin Marit Breivik gesagt: Das Finale ist Norwegen gegen Deutschland«, behauptete Delegationsleiter Reiner Witte und dachte auch an die Olympischen Spiele: »Alle wollen gern nach Peking.«
Das Erreichen des Halbfinales durch den Sieg gegen Mazedonien war jedoch ein hartes Stück Arbeit. Vor allem Krause kam erst spät in Fahrt. »Es spricht für die Mannschaft, dass sie so ein Gurken-Spiel abliefern und trotzdem gewinnen kann«, bilanzierte Emrich zufrieden. »Wir haben uns ins Ziel gerettet. Ich hoffe, dass jetzt noch gute Spiele kommen«, erklärte Grit Jurack.
Das beste EM-Resultat seit dem vierten Platz vor zehn Jahren hat die DHB-Auswahl am Donnerstagabend noch mit einer kleinen Party im Mannschaftshotel gefeiert. »Klar können die Mädels ein Glas Sekt trinken«, meinte Emrich. Zuvor hatte DHB-Vizepräsident Witte die Spielerinnen zu McDonalds eingeladen und dadurch riesige Begeisterung ausgelöst. Damit stand das Frauen-Team in bester Tradition mit den Männern, die sich 2002 ebenfalls am Fast Food erfreut hatten und anschließend die Silbermedaille gewannen. »Wenn sich so der Kreis schließt, ist es umso besser«, bekannte Witte.
Doch viel Zeit zum Feiern blieb nicht. Denn am Freitagmittag hob die Charter-Maschine von Göteborg nach Stockholm ab, wo am Abend schon wieder ein Training auf dem Programm stand.

Artikel vom 16.12.2006