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Stephanies Peiniger kommt für immer in Haft

15 Jahre Gefängnis und anschließende Sicherungsverwahrung für Mario M. - Eltern des Opfers erleichtert

Dresden (WB/dpa/Reuters). Stephanie selbst ging gestern zur Schule, während das Urteil gegen ihren Peiniger gesprochen wurde. Ihr Bruder werde ihr dort die Nachricht überbringen, sagte ihr Vater. Eine Familie versucht sich in Normalität.
Fünf Wochen dauerte ihr Martyrium. Stephanie war damals 13.

Nichts wünschen Joachim und Ines Rudolph als Eltern der 14-Jährigen mehr, als dass diese Normalität nun tatsächlich wieder einkehren möge. »Wir sind froh und glücklich, dass er ein hartes faires Urteil bekommen hat«, sagte die Mutter, nachdem der Vorsitzende Richter Tom Maciejewski die Höchststrafe gegen Mario M. (36) verkündet hatte: 15 Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung. »Das nimmt Stephanie die Angst vor der Zukunft.«
Doch auch dieser letzte Prozesstag gegen den einschlägig vorbestraften Mann, der das Mädchen am 11. Januar morgens auf dem Schulweg in Dresden entführt und dann fünf Wochen lang in seiner Gewalt hatte, seine sexuellen Phantasien an dem Mädchen auslebte und es oft in eine Kiste einsperrte, die so eng war, dass ihr die Erstickung drohte, forderte von den Eltern noch einmal alles. »Er hat durch massive Drohungen ein Klima fortwährender Gewalt und Einschüchterung geschaffen, das Kind in jeder Nacht an die Wand gefesselt und tags bis zu 30 Minuten gefesselt und geknebelt in eine Sperrholzkiste gesperrt«, schilderte der Richter die Qualen des Mädchens, die sich kein Mensch ausmalen könne, der nicht Gleiches erlebt habe.
Mit Tränen in den Augen mussten die Eltern nochmals mit anhören, was M. ihrer Tochter antat. Die damals 13-Jährige war es schließlich selbst, die trotz der permanenten Angst, Verzweiflung, Bedrohung und schwerster Misshandlung noch soviel Nerven behielt, einen Hilferuf auf einem Zettel zu verfassen und diesen beim nächtlichen Ausgang mit ihrem Peiniger fallen zu lassen.
Der Zettel wurde von Nachbarn gefunden, und erst das brachte die Polizei auf die Spur des arbeitslosen Anlagenbauers, der bei allen bis dahin geführten Ermittlungen trotz einschlägiger Vorstrafe mit Gefängnis durchs Raster der Fahnder gefallen war.
Mit seinen Ausfällen am ersten Prozesstag und der Flucht aufs Dach des Gefängnisses, mit der er sich wenige Zeit später für beinahe einen ganzen Tag in Szene brachte und seine Bewacher vorführte, setzte Mario M. seinem Opfer und dessen Eltern weiterer zu. Am Rande des Nervenzusammenbruchs kündigte Stephanies Vater damals an, die Familie werde Deutschland verlassen, da Stephanies Sicherheit in Sachsen offenbar nicht mehr gewährleistet sei.
Die Kammer folgte mit dem Urteil in vollem Umfang der Forderung der Nebenklage (Stephanie und ihre Eltern) und schöpfte das gesetzlich mögliche Strafmaß für eine Geiselnahme voll aus. Der Staatsanwalt war mit seiner Forderung drei Monate darunter geblieben. Aus der »schweren seelischen Abartigkeit« von Mario M. ergebe sich keine verminderte Schuldfähigkeit, sagte der Vorsitzende Richter. Das Geständnis des 36-Jährigen und dessen »mediale Vorverurteilung« seien berücksichtigt worden. »Nach Überzeugung des Gerichts kommt eine Strafminderung jedoch nicht in Betracht.« Der Angeklagte habe die Taten sorgfältig geplant und Stephanie fünf Wochen lang ohne Pause einem Martyrium ausgesetzt, das sofort nach der Entführung begonnen habe.
Mario M. nahm das Urteil unbewegt auf. Erst am vorletzten Prozesstag hatte er Reue bekundet und sich bei Stephanie entschuldigt. Sein Verteidiger Andreas Boine wollte den Richterspruch nicht kommentieren. Er werde die im Gesetz vorgesehene Überlegungsfrist von einer Woche nutzen, sagte er.
Zur ultimativen Forderung des Anwalts von Stephanies Eltern, Sachsen müsse noch vor Weihnachten Geld für die Therapie des Mädchens bereitstellen, nahm Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) Stellung: Sachsen sei bereit, sich aus humanitären Gründen einzubringen, sagte er. Der Freistaat lasse sich aber nicht unter Druck setzen.
»Wir wollen eine friedliche Einigung«, unterstrichen gestern Stephanies Eltern. Mit dem Urteil werde ihrer Tochter der Lebenssinn zurückgegeben. »Wir werden auch weiterhin in Dresden wohnen können«, sagten sie. »Unser Kämpfen hat sich gelohnt.« Seite 4: Kommentar

Artikel vom 15.12.2006