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Ein mutiger Mann in böser Zeit

»Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt« in Berlin wurde neu eröffnet

Berlin (WB/bo). Der Film »Schindlers Liste« ist vielen noch in Erinnerung. Doch nicht nur der damalige Fabrikant Otto Schindler hat jüdische Mitbürger vor den Nazis gerettet.

Es gab noch mehr mutige Menschen. Einer von ihnen war der Berliner Fabrikant Otto Weidt. Für ihn gibt es jetzt ein Museum in Berlin, in historischen Räumen. Die Firma von damals, eine Blindenwerkstatt, besteht schon seit 50 Jahren nicht mehr. Doch jetzt ist sie wieder zu besichtigen. Die Adresse: Rosenthaler Straße 39 in Berlin-Mitte, im zweiten Hinterhof. Also an der Straße, an der auch die berühmten Hackeschen Höfe liegen.
Das »Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt« erzählt die Geschichte dieser Werkstatt und ihres mutigen Chefs in einer grauenvollen Zeit. Hier beschäftigte Otto Weidt hauptsächlich blinde und gehörlose Juden. Sie stellten Besen und Bürsten her. Verschiedene Lebensgeschichten berichten von Otto Weidts Bemühungen, seine jüdischen Arbeiter und Arbeiterinnen vor Verfolgung und Deportation zu schützen. Als die Bedrohung immer größer wurde, suchte er für einige von ihnen Verstecke. Eines davon befand sich in den Räumen des heutigen Museums. Wenn beispielsweise vom Fenster aus unliebsame Besucher gesichtet wurden, dann versteckten sich einige Schützlinge in einer Nische unter einer Treppe, davor wurde dann ein Schrank gerückt. Indes: nicht alle aber hat Otto Weidt, der selbst erblindet war, retten können. Er war ein schmaler Mann, der Gedichte schrieb und überzeugter Pazifist war. Die Nazis hasste er, war aber kein aktiver Widerstandskämpfer in einer Gruppe. Seine Aufgabe, Juden zu helfen, hat er sich selbst gesucht
Die Werkstatt produzierte bis kurz vor Kriegsende. Nach dem Krieg wird das Unternehmen von Otto Weidt und nach seinem Tod im Dezember 1947 von seiner Frau Else weitergeführt. Das Wirtschaftsamt des Ost-Berliner Magistrats löst die Blindenwerkstatt 1952 auf. Während der DDR-Zeit erinnerte nie ein Gedenkschild an Otto Weidt und seinen zivilen Widerstand gegen die Diktatur.
Die Ausstellung ist montags bis sonntags von 10.00 bis 20.00 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. Führungen sind nach Anmeldung möglich. Informationen gibt es unter unter der Telefon-Nummer 030-285 99 407. Zur ständigen Ausstellung ist auch ein 160 Seiten starker Katalog erschienen.

Artikel vom 15.12.2006