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Hoyzer im Wechselbad
der Gerichtsgefühle

BGH-bestätigt Urteil: zwei Jahre und fünf Monate Haft

Leipzig (dpa). Vor dem Gericht warten Übertragungswagen, auf den Fluren drängen sich Fotografen und Kameraleute. Lange vor der Termin sind die Journalisten nach Leipzig gekommen, um das Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) zum größten Wettskandal der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu hören.

Spannung und Nervosität sind spürbar. Gut zwei Wochen nachdem Bundesanwalt Hartmut Schneider für Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer und weitere Beteiligte einen Freispruch im Wettskandal gefordert hatte, blickt die Fußballwelt voller Argwohn nach Leipzig. Kurz nach 10 Uhr verkündet der Vorsitzende Richter des 5. Strafsenats, Clemens Basdorf, dann die für den deutschen Fußballsport erlösende Nachricht: Die Manipulationen waren Betrug. Das Urteil des Landgerichts Berlin ist rechtskräftig. Der Angeklagte Hoyzer muss ins Gefängnis.
Erwin Bugar vom DFB-Kontrollausschuss war die Erleichterung anzusehen. Eilig verließ er den Gerichtssaal, um seinen Verband per Handy zu informieren. »Das Urteil bestätigt die Auffassung des DFB, dass es sich bei den Manipulationen nicht um einen Bubenstreich oder eine Gaunerei, sondern um schweren Betrug gehandelt hat«, sagte er. Mit betretenen Mienen verfolgten dagegen die Verteidiger von Hoyzer, Drahtzieher Ante Sapina (30), dessen Brüdern sowie von Ex-Referee Dominik Marks (31) und Ex-Fußballprofi Steffen Karl (36) die Urteilsbegründung des Gerichts. »Das ist bitter für unseren Mandanten«, sagte Hoyzer-Anwalt Thomas Hermes ohne Umschweife. Für zwei Jahre und fünf Monate muss der bereits lebenslang gesperrte frühere Schiedsrichter hinter Gitter. Weihnachten wird er wohl noch zu Hause verbringen dürfen.
»Das Urteil des Berliner Landgerichts ist nicht zu beanstanden«, betonte Richter Basdorf. »Die Kollegen in der ersten Instanz haben diesen schwierigen Fall in kurzer Zeit sehr engagiert und angemessen gelöst«, sagte er und wies damit die Kritik von Bundesanwalt Schneider zurück. Dieser hatte das Berliner Urteil als »bemerkenswert oberflächig« bezeichnet. Schneiders Interpretation des Falles hat Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer nach Auffassung Basdorfs dann ein »Wechselbad der Gefühle« beschert. Gut zwei Wochen lang durfte der 27-Jährige hoffen, doch nicht ins Gefängnis zu müssen.
Eine Möglichkeit, die Fußball-Fans und Unparteiische erschüttert und für Empörung beim Deutschen Fußball-Bund gesorgt hatte. »Ihr Antrag war sehr mutig, denn er war ersichtlich unpopulär«, kommentierte Basdorf nun das Plädoyer Schneiders für einen Freispruch. »Ihre sehr scharfsinnigen und eloquent vorgetragenen Ausführungen haben uns imponiert und zum Nachdenken gebracht«, betonte der Richter.
Den BGH hat Schneider am Ende mit seiner Rechtsauffassung nicht überzeugen können. Doch Basdorf machte keinen Hehl daraus, dass es um eine durchaus kniffelige Rechtsfrage ging. »Der Fall ist wie gemalt für einen Prüfungsfall«, sagte Basdorf. »Viele Studenten wurden mit dem Fall gequält, und viele Wissenschaftler haben sich mit der Thematik auseinander gesetzt.«
Auch Schneider, ein akademisch qualifizierter Jurist, der zudem sehr anschaulich formulieren kann. In einem Revisionsverfahren vertritt er zwar die jeweilige Staatsanwaltschaft, ist aber nicht an deren Sichtweise gebunden. Die Bundesanwälte machen sich lieber eigene Gedanken und erinnern in manchmal überraschenden Plädoyers daran, dass sie sich einem möglichst korrekten Urteil verpflichtet fühlen.

Artikel vom 16.12.2006