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Hebammen
betreuen Familien

Säuglingssterblichkeit bekämpfen

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Die Säuglingssterblichkeit ist in Bielefeld höher als im Landes- und im Bundesdurchschnitt. Der Einsatz von Familienhebammen soll helfen, diese Rate zu senken.

6,1 Säuglinge pro 1000 Lebendgeborene sterben in Bielefeld. Im Landesschnitt sind es 4,9 und im Bund 3,9. Mögliche Erklärungen sind für Fachleute, die darüber gestern im Rahmen einer Tagung diskutierten, die gestiegenen sozialen Belastungen, die Zunahme der relativen Armut und das höhere Alter Erstgebärender, das zunehmend jenseits der 30 liegt.
Ohne exakte, statistische Angaben zu haben, listen Gynäkologe, Kinderarzt, Hebamme, Vertreter des Gesundheitsamtes und der Leiter der Jugendbehörde die Faktoren auf, die sie als riskant für ein Kleinkind erleben - abgesehen von medizinischen Risiken wie problematische Schwangerschaft, Frühgeburt oder Fehlbildungen: »Migrantenstatus, alleinerziehend, arm, Raucher, Alkoholmissbrauch.«
Zum Tode führen, sagt Hebamme Barbara Blomeier, heftiges Schütteln der Säuglinge, Misshandlungen, Unterernährung oder mangelnde Hygiene. An einem zu geringen Angebot medizinischer Versorgung liegt die Säuglingssterblichkeit nicht: »Ein Kernproblem ist, dass Risikofamilien oft die Bindung fehlt, sie haben keine langfristigen Beziehungen«, sagt Dr. Walter Müller, Obmann der Bielefelder Kinderärzte. Nur ab und an stellen sie ihre Kinder dem Arzt vor, nehmen oft eher den Notdienst in Anspruch oder wechseln den Wohnort. Zudem, ergänzt Müller, kommen Problemfamilien selbst oft aus Problemfamilien. »Es gibt nicht selten eine Tradition über Generationen.«
Dieser Teufelskreis soll durchbrochen werden: »Nicht durch Kontrolle, sondern das Angebot der Begleitung«, wie Blomeier betont. Nicht die üblichen zehn Tage, sondern über Monate sollen speziell geschulte Hebammen Familien betreuen. »Sie kommen ganz nach Bedarf.« Den können die Familien anmelden, den können ebenso aber die Hebammen, Nachbarn, Gynäkologen oder Kinderärzte sehen. An die Jugendbehörde angeschlossen wird eine Kinderschutzfachstelle mit drei Mitarbeitern, die für den gesamten Gesundheitsbereich ansprechbar ist und, so ihre Leiter Georg Epp, auch auf anonyme Hinweise reagiert.

Artikel vom 14.12.2006