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Fall Kurnaz belastet Schröder

US-Angebot zur Freilassung aus Guantánamo offenbar abgelehnt

Berlin (WB/rb). Die frühere rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) trägt nach einem Bericht des »Stern« Mitverantwortung für vier Jahre Internierung des in Bremen lebenden Türken Murat Kurnaz in Guantánamo.
Murat Kurnaz: Freilassung 2002 abgelehnt?

Als Chef des Bundeskanzleramts soll Frank-Walter Steinmeier entscheidend daran beteiligt gewesen sein, Kurnaz nicht nach Deutschland zu holen, obwohl US-Stellen ihn schon damals für unschuldig hielten. Geheime Unterlagen belegten auch die direkte Beteiligung von Schröder und Außenminister Joschka Fischer. Steinmeier und Fischer werden morgen im »BND-Untersuchungsausschuss« befragt.
Der Berichterstatter der Union im Sonderausschuss »Kurnaz«, Jürgen Herrmann aus Brakel, sagte dieser Zeitung, allen Hinweisen werde nachgegangen. Sollte es die vom »Stern« zitierten Aktenvermerke tatsächlich geben, sei mit Rücktrittsforderungen der Opposition an Steinmeier zu rechnen. Zur Verantwortung Schröders und Fischers: »Wenn der Stern recht hat, haben der damalige Bundeskanzler und Vizekanzler ganz klar gelogen.«
Nach dem Bericht beratschlagten die Sicherheitsbehörden sowie einige Staatssekretäre im Oktober 2002 über das Angebot, Kurnaz freizulassen. Leiter der »Präsidentenrunde« war der damalige Kanzleramtschef Steinmeier. Obwohl Experten von BND, Verfassungsschutz und US-Vernehmer Kurnaz für unschuldig hielten, hätte die Runde auf Vorschlag von August Hanning, damals BND-Chef und heute Innen-Staatssekretär, eine Einreisesperre verhängt.
Die USA reagierten verärgert. Kurnaz blieb weitere vier Jahre bis zur Freilassung am 24. August 2006 in Guantánamo. Im Außenministerium wurde im Januar 2002 geplant, einen Konsularbeamten »zwei Tage zur Befragung« des inhaftierten Kurnaz nach Guantanamo zu schicken, gemeinsam mit einem BND-Mann. Details habe Staatssekretär Gunter Pleuger mit BND-Chef Hanning verabredet.
»Vorgang liege bei BM Fischer«; Entscheidung stehe noch aus«, zitiert der »Stern« dazu einen Vermerk aus dem Kanzleramt. Nur Tage später schrieb Fischer an Kurnaz' Familie in Bremen, die damals nicht wusste, wo ihr Sohn war: »Sobald wir Näheres über das Schicksal Ihres Sohnes erfahren, werden wir Sie umgehend unterrichten.«
Die Mutter des Guantánamo-Häftlings bedankte sich jetzt bei Bundeskanzlerin Angela Merkel für deren Einsatz zur Freilassung ihres Sohnes. »Ich möchte Frau Merkel danken, dass sie sich sofort nach ihrem Amtsantritt so für Murat eingesetzt hat«, sagt Rabiye Kurnaz der »Zeit«. Und weiter: »Eigentlich hatte ich immer gedacht, so etwas würde eher die SPD tun.« Die CDU habe sie »sehr positiv überrascht«, fügte die Mutter von Kurnaz hinzu.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 14.12.2006