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Kleine karibische Kolonie
Die Insel Anguilla zieht vor allem Reggae-Fans und Promi-Urlauber an
Jedes Jahr am ersten Vollmond-Wochenende im März ist eine aus Treibholz gebaute Bretterbude namens »The Dune Preserve« das Mekka der Reggae-Fans.
Wenn Bankie Banks ruft, kommen sie alle - Burning Spear und die Nachfahren von Bob Marley sind Stammgäste beim Reggae-Moonsplash, Schauspieler Kevin Bacon packte auch schon mal spontan seine Gitarre aus und zupfte den Rhythmus, bei dem jeder mitmuss.
Wer »The Dune Reserve« jedoch auf Jamaica vermutet, liegt falsch. Bankie Banks hat sich auf Anguilla niedergelassen, Großbritanniens Kolonie in der Karibik. Das Eiland schmückt sich gerne mit den Schönen und Reichen, die hier ihren Urlaub verbringen. Doch der schöne Schein trügt. Das Insel-Resort Cap Juluca zählt seit Jahren zwar zu den ersten Adressen der Karibik, hierzulande ist es aus den Werbespots für süßes Kokoskonfekt bekannt. Aber den Gästen offeriert man dort Liegestühle aus Metall und Plastik, der Strand ist zwar weiß, aber reizlos. Und die Architektur würde besser ans Mittelmeer passen. An die Karibik erinnert wenig. Die Angestellten wirken karibisch entspannt, um nicht zu sagen, wenig motiviert.
Viele Promi-Urlauber kommen mit einer Yacht nach Anguilla. Wollen sie sich qualifiziert massieren lassen, so wenden sie sich in der Regel an Susi. Die deutsche Aussteigerin hat sich mit ihrem mobilen Wellness-Angebot am Strand von Road Bay niedergelassen und kommt auf Anforderung auf die Yachten ihrer betuchten Kunden.
Nur 26 Kilometer ist das kleine Eiland lang, die gut 11 000 Einwohner sind indes besonders stolz auf ihre Geschichte. Die begann mit der Besiedlung durch Arawak-Indianer vor etwa 4000 Jahren und führte, nachdem Kolumbus die Region für die Europäer erschlossen hatte, geradewegs in die Wirren der Kolonialpolitik.
Bis heute sind deren Auswirkungen auf Anguilla zu spüren: Die nach dem Heiligen Martin benannte Nachbarinsel teilen sich Franzosen und Holländer, St. Kitts & Nevis sind unabhängig und akzeptieren dennoch Queen Elizabeth II. als Staatsoberhaupt, während Anguilla den Status als »British Dependant Territory« hat. Das ist immer noch besser, als unter der Fuchtel derer von St. Kitts zu leben, derer man sich am 30. Mai 1967 in einem »Revolutiönchen« entledigte. Am sogenannten »Anguilla Day« wurden nämlich die 13 Polizisten von der ungeliebten Nachbarinsel vertrieben. Wenige Tage später starteten die Bewohner sogar einen Versuch, ihrerseits St. Kitts zu besetzen, was allerdings scheiterte.
Trotzdem wird der Anguilla Day heute als Tag einer relativen Unabhängigkeit gefeiert, denn seither ist man der Krone in London direkt unterstellt.
Man kann sich gut vorstellen, dass vor 100 Jahren dort Dürre und Hungersnot die Bewohner plagten. Die Insel hat in weiten Bereichen eine Steilküste, ist aber größtenteils ein flaches Plateau. Schöne Natur-Szenarien findet man allenfalls an einigen Aussichtspunkten und an den Salzwassersümpfen vor Cap Juluca.
Ein halber Tag, um Anguilla zu besichtigen, ist reichlich bemessen. Als Ausflüge bieten sich lediglich Spaziergänge entlang der Korallenstrände rund um die Insel an. Sehenswürdigkeiten gibt es keine. Wallblake House, eine kleine Plantage von 1787, steht leer, kann aber von innen besichtigt werden.
Zu den historischen Wahrzeichen der Insel gehört außerdem The Fountain, eine große unterirdische Höhle in der Shoal Bay. Sie enthält vorgeschichtliche Felszeichnungen, die darauf schließen lassen, dass die Höhle einst als Kultstätte diente. Die Ruinen des um 1700 erbauten Holländischen Forts in Sandy Hill erinnern an die heftigen Kämpfe, die hier 1796 während der französischen Invasion Anguillas tobten.
Auf Anguilla gibt es mehr als 30 Strände mit versteckten Buchten und Felsenhöhlen, manche sind mehrere Kilometer lang. Boote kann man fast überall mieten. Einige der schönsten Strände sind Rendezvous Bay, Shoal Bay, Road Bay, Maundays Bay, Cove Bay, Meads Bay und Crocus Bay. Sie sind Anguillas einziges Kapital.
Thomas Albertsen

Artikel vom 16.12.2006