16.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der Rummel vor dem Fest
Berliner Weihnachtsmärkte haben eher eine abschreckende Wirkung
Alle Jahre wieder klingen süß die Glocken. Und ganz egal, ob nun leise der Schnee rieselt oder die Sonne scheint -Êman trifft sich auf dem Weihnachtsmarkt.Schnell ein paar künstliche Tannenzweige an die rollende Fischbude gehängt! Zum Gedudel der neuesten Stimmungshits versuchen die Wirte mittels Hüttenzauber den Absatz alkoholischer Heißgetränke zu fördern. Der Geruch von Hammelfleisch und Chinapfanne mischt sich mit dem von gebrannten Mandeln und Kartoffelpuffer. Und alles wird übertönt von der Sirene des startbereiten Karussells. O du fröhliche!
Was eigentlich haben Riesenräder, Achterbahnen, Wilde Maus & Co. auf Weihnachtsmärkten zu suchen? Das fragt sich dieser Tage der Besucher so mancher Innenstadt. Ganz besonders negativ sticht Berlin hervor. In der Bundeshauptstadt ist von weihnachtlicher Atmosphäre nur am Rande etwas zu spüren. Vor dem Brandenburger Tor grüßt die Großbaustelle des neuen U-Bahnhofs »Unter den Linden«. Am Gendarmenmarkt ist der Blick auf das historische Ensemble aus zwei Domen und Konzerthaus zur Zeit durch ein Meer aus weißen Plastikzipfeln beeinträchtigt. Edelfress-Buden und ein paar Verkaufsstände kommen im klinischen Ambiente weißer Einheitszelte daher, die auch die Kulisse zu einem Sommerfest bilden könnten. Für die Budenstadt wird Eintritt verlangt - und ausländischen Gästen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, wird übel mitgespielt: Weil das Personal kaum englisch spricht, erfahren die Besucher nämlich nicht, dass auf Gläser und Tassen ein Pfand erhoben wird. Da viele ihr Geschirr dann einfach auf den Tischen stehen lassen, verfällt das Pfand.
Vor der asbestverseuchten Ruine des »Palastes der Republik« macht sich auf holprigem Boden derzeit ein Rummelplatz breit. Die zentrale Weihnachtspyramide geht angesichts von Riesenrad und Achterbahn völlig unter -Êund statt Weihnachtsliedern hört man meist nur Discogedudel. Sogar im neuen Hauptbahnhof stehen ein paar Weihnachtsbuden. Sehenswert ist allerdings der riesige »Kristall-Weihnachtsbaum« im Eingangsbereich.Thomas Albertsen

Artikel vom 16.12.2006