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Mit Hannelore Kraft Trauma der Niederlage bewältigen

Schockiert von Dieckmanns Rückzug - Landes-SPD schaut strikt nach vorn

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). »Der König ist tot, es lebe die Königin«: Britischer Pragmatismus herrschte gestern in Reihen einer schockierten NRW-SPD.

Niemand, aber auch wirklich niemand habe mit dem schnellen Rückzug Jochen Dieckmanns aus dem Amt des Landesvorsitzenden nach nur eineinhalb Jahren gerechnet. Diese unisono verlautete Versicherung aus Fraktion, Landesvorstand und Mitarbeiterstab teilten auch die ostwestfälischen Genossen Axel Horstmann, Ute Schäfer und Ute Berg.
Dieckmann hatte seinen Rückzug am Montagabend überraschend bei einer Sitzung des Präsidiums in Düsseldorf angekündigt. »Wenn sich eine Alternative bietet, wo viele Dinge stimmen, muss das hier und jetzt entschieden werden«, eröffnete er vor zutiefst erschrockenen Spitzengenossen. Bereits im Oktober habe er eine neue berufliche Herausforderung zu suchen begonnen und deswegen seine Zulassung als Rechtsanwalt beantragt - Sätze, die in eisigem Schweigen verhallten.
Der bis zum Mai 2005 für unmöglich gehaltene Machtverlust nach 39 Jahren Regierungsverantwortung wirkt immer noch fort. »Allein, dass er verhindert hat, dass der Laden auseinander geflogen ist« rechnete gestern Ex-Minister Horstmann dem Noch-Vorsitzenden hohe Verdienste zu. Dieckmann habe für die Partei gerade nach innen viel getan.
Horstmann muss es wissen. Denn Dieckmann hatte jüngst noch den Ex-Energieminister aus Herford wegen seines Wechsels zum Versorger EnBW aufgefordert, endlich sein Landtagsmandat niederzulegen.
Soviel war nach außen gedrungen. Gestern fügte Horstmann hinzu, ein Vorsitzender müsse natürlich bemüht sein, »die Ressourcen der SPD im Kreis Herford zu bewahren«, wenn es ein Büro Horstmann nicht mehr gäbe.
Auch Ex-Schulministerin Ute Schäfer zeigte »Respekt vor der Entscheidung« des Noch-Vorsitzenden und begrüßte im gleichen Atemzug, dass schon jetzt die mögliche SPD-Spitzenkandidatin für 2010 erkennbar werde. Natürlich will sie dem Präsidium am Samstag nicht vorgreifen, spricht aber lieber über das, was kommt, als das, was war. Sie werde ihrem Amt als Vertreterin von Fraktionschefin Hannelore Kraft auf jeden Fall treu bleiben, bestätigte sie auf Nachfrage, was nicht selbstverständlich ist. Denn die zwei anderen Fraktionsvize Horstmann und Birgit Fischer mussten zwischenzeitig schon ersetzt werden.
Inhaltlich seien mit zwei Zukunftskongressen und insbesondere in der Schulpolitik erste klare Signale gesetzt worden, betonte Schäfer. Jetzt gehe es darum, dass Hannelore Kraft in der neuen Dreifach-Aufgabe als Fraktionschefin, Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin den »Sozialschauspieler Rüttgers« entzaubere. Während der »links blinkt und rechts abbiegt«, sei Kraft authentischer, kommunikationsstark und viel näher bei den Menschen.
Die NRW-CDU wertete Dieckmanns Rückzug als ein weiteres Zeichen für einen »beispiellosen Niedergang« der Partei. »Inhaltlich, personell und organisatorisch existiert die NRW-SPD nicht mehr«, meinte CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst.
Während Rüttgers tagsüber jeden Kommentar ablehnte, drosch sein engster Vertrauter, CDU-Fraktionschef Helmut Stahl, auf die kommende SPD-Landesvorsitzende ein: »Frau Kollegin Kraft steht für die alte, linke, gescheiterte Politik in NRW und damit für die versockelte Steinkohlezeit und eine ideologische Gesamtschulpolitik.«

Artikel vom 13.12.2006