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Bei El Masri nicht weggeschaut

Steinmeier und Fischer: keine Beteiligung an Entführung des Deutsch-Libanesen

Berlin (dpa). Deutsche Stellen haben sich nach übereinstimmenden Äußerungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seinem Vorgänger Joschka Fischer (Grüne) in keiner Weise an der Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri nach Afghanistan beteiligt.
»Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit sagen: Die Bundesregierung, der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz haben keine Beihilfe zur Verschleppung des deutschen Staatsbürgers El Masri geleistet«, sagte Steinmeier gestern vor dem BND-Untersuchungsausschuss in Berlin. Mit der Vernehmung von Steinmeier und Fischer sowie des heutigen Geheimdienstkoordinators im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, wurde der »Fall El Masri« zunächst abgeschlossen.
Im kommenden Jahr wird sich das Gremium mit dem noch brisanteren Fall des in Bremen lebenden Türken Murat Kurnaz befassen, der im August nach mehrjähriger Haft aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba entlassen wurde. Steinmeier und die anderen Zeugen äußerten sich dazu nicht, weil ihnen zu diesem Komplex noch keine Aussagegenehmigung vorliege.
Als »infam« wies Steinmeier kritische Einwände der Opposition zurück, er oder andere ihm in seiner früheren Tätigkeit als Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt zuarbeitende Nachrichtendienste hätten Ende 2003 bei der Verschleppung El Masris »weggeschaut«. Die Bundesregierung habe weder vor der Entführung noch während der fünfmonatigen Gefangenschaft von dem Fall gewusst.
Kritisch setzte sich Ex-Außenminister Joschka Fischer in seiner mehr als zweistündigen Vernehmung mit der US-geführten Aktion auseinander. Diese sei während seiner Amtsführung als »sehr ernsthafter Vorgang« bewertet worden. Steinmeier wie zuvor Fischer und Fritsche wiesen aber gleichzeitig auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten im internataionalen Anti-Terrorkampf hin.
»Die USA sind und bleiben mit den europäischen Partnern Verbündete vor allem im Kampf gegen den Terrorismus.« Manche täten so, als wäre der Austausch von Informationen als »Kumpanei mit Geheimgefängnissen« zu werten, sagte Steinmeier. »Das ist jedoch absurd.«
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und der zu befürchtenden Bedrohung durch islamische Extremisten sei er aber gewillt gewesen, »die Möglichkeiten des Rechtsstaates auszuschöpfen«. Dies habe aber nicht bedeutet, dass im Kanzleramt »irgendwelche finstere Gesellen« am Werk gewesen seien.
Niemals sei eine Genehmigung oder das stillschweigende Beobachten der Verschleppung eines deutschen Staatsangehörigen gegeben gewesen oder geduldet worden. Ausdrücklich bedauerten Steinmeier und Fischer das Schicksal des Deutsch-Libanesen. Er - Steinmeier - habe erstmals von dem Fall El Masri am 15. Juni 2004 erfahren. Der Mann war jedoch bereits Ende Mai frei gelassen worden. Die anschließenden Ermittlungen der Justiz seien von verschiedenen Bundesbehörden auch nicht »mit angezogener Handbremse« begleitet worden.
Der Auftritt von Steinmeier und Fischer wurde vom bisher größten Medienaufgebot seit Beginn der Ausschussarbeit am 11. Mai dieses Jahres verfolgt.
Bei der Aussage von Fischer wurde auch erneut das gespannte Verhältnis zwischen ihm und dem damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) deutlich. Fischer sagte, er sei damals nicht über den Inhalt eines vertraulichen Gesprächs zwischen Schily und dem damalingen US-Botschafter Daniel Coats unterrichtet worden.
»Das liegt jetzt hinter mir«, sagte der seit dem Herbst an der US-Universität Princeton lehrende Ex-Außenminister. Deutsche Außenpolitik sei allerdings nie »doppelbödig« gewesen, betonte er im Ausschuss nachdrücklich.

Artikel vom 15.12.2006