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Plötzlich war
sie gelähmt

Rietbergerin in ARD-Dokumentation

Von Meike Oblau
Rietberg (WB). Ein schweres Schicksal und eine Beziehung, von der Marlies Adrian nicht weiß, ob sie hält. Die Rietbergerin steht im Mittelpunkt der berührenden Dokumentation »Wenn plötzlich alles anders ist. Diagnose: Gelähmt« (ARD, 23.15 Uhr).
Marlies Adrian und ihr Freund Markus Kempkensteffen.Foto: ARD

Im Frühjahr 2005 feiert Marlies Adrian ihren 30. Geburtstag, unbeschwert im Kreise ihrer Freunde. Wie die Tradition in ihrer Heimatstadt Rietberg (Kreis Gütersloh) es von allen 30-Jährigen, die noch nicht verheiratet sind, verlangt, putzt sie die Rathausfenster und fegt den Boden.
Fünf Wochen später ist ihr Leben von Grund auf verändert. Nach einem Reitunfall ist sie gelähmt und kann nur noch die Augenlider bewegen. Doch Marlies gibt nicht auf. Ihre Geschichte erzählt der Dokumentarfilm, der leider erst zu später Stunde in der ARD zu sehen ist.
Der Autor und Filmemacher Gunther Scholz hat Marlies und ihren Freund Markus Kempkensteffen fast ein Jahr lang mit der Kamera begleitet. Die beiden Männer lernten sich als Besucher im Krankenzimmer kennen. Da war Marlies schon schon ein halbes Jahr in der Klinik. Ihr Zustand hatte sich zwar gebessert, aber die linke Körperhälfte war noch immer gelähmt. Sie konnte nach wie vor weder laufen noch sprechen und sich nur mit einer Buchstabentafel verständlich machen.
Am 1. Juni 2005 hatte ihr Pferd bei einem Ausritt vor einem Fasan gescheut, und Marlies spürte einen Schlag im Nacken. Doch sie ging nicht sofort zum Arzt, auch weil ihr Arbeitgeber sie erst vor kurzem wegen angeblich zu vieler Krankheitszeiten abgemahnt hatte. Die junge Tischlerin war nach einem Unfall und einer Herzbeutelentzündung jeweils länger krankgeschrieben worden. Als es ihr nach dem Reitunfall immer schlechter ging, sie kaum noch die Beine bewegen konnte, renkte ein Arzt sie im Halswirbelbereich ein - mit fatalen Folgen. Noch in der gleichen Nacht liefert sie der Notarzt ins Krankenhaus ein.
Anschließend wird sie in eine Spezialklinik verlegt. Die niederschmetternde Diagnose lautet: Locked-In-Syndrom. Die junge Frau kann nur noch ihre Augenlider bewegen, Marlies ist gefangen im eigenen Körper. Doch aufgeben kommt für die junge Rietbergerin nicht in Frage: Nach und nach gelingt es ihr mit Hilfe der Ärzte, die Lähmung zurückzudrängen. Marlies kämpft, sie lernt mühsam, Hände und Füße zu bewegen, eine Orange zu schälen. Markus, mit dem sie vor dem Unfall sieben Jahre lang zusammen war, ihre Familie und enge Freunde unterstützen sie, wo sie können.
Am Ende des Films kommt Marlies nach 17 Monaten Krankenhaus nach Hause - zu ihrem Freund Markus. Vorher musste das gemeinsame Heim erst noch umgebaut werden, damit Marlies im Rollstuhl zurecht kommt. Beide wollen sich nun in einem neuen, umgewohnten Alltag einrichten - Ende offen. Markus sagt dazu: »Das stellt die Beziehung auf eine ziemliche Probe. Dann wird man erst wirklich sehen, ob das auch hundertprozentig hält.«

Artikel vom 13.12.2006