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Gütersloher grasen auch auf Eis

Meierhof Rassfeld zählt fast tausend Jahre -ÊSpezialität Weihnachtsputen

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh (WB). Die Katze, sagt man, hat sieben Leben. Dieses Glück ist der Pute nicht beschieden. Dafür hat sie sieben Sorten Fleisch - sehr zur Freude des Menschen, der sie gern an Feiertagen auftischt. Tausend Bestellungen sind vor diesem Weihnachtsfest allein auf dem Meierhof Rassfeld in Gütersloh eingegangen.

Ausweislich einer Steuerurkunde des Klosters Herzebrock aus dem Jahr 1088 zählt der Meierhof fast 1000 Jahre. Das Gehöft befand sich in der gesamten Zeit durchgängig im Besitz der Familie Rassfeld: Dabei sind die äußeren Bedingungen, etwa der sandhaltige Boden, alles andere als ideal. Doch in der nahe gelegenen Stadt sagt man nicht von ungefähr: »Die Gütersloher können auf Eis grasen.« Mit Fleiß und guten Ideen bauen sie aus fast Nichts noch einen ordentlichen Betrieb.
Derzeitiger Besitzer des 1000 Jahre alten Hofs ist Friedrich Wilhelm Haver Rassfeld. Die Idee zur Putenzucht hatte sein Vater. Auf den Wiesen rund um den Hof ist in natürlicher Umgebung reichlich Platz für 4000 Puten. Als Laufvögel brauchen die Puten diesen Freiraum. Im vergangenen Jahr, als das Geflügel wegen der Vogelgrippe eine Zeit lang eingestallt werden musste, hatte Haver Rassfeld einiges an Bällen, Autoreifen usw. aufbieten müssen, damit die Puten nicht aus Langeweile übereinander herfielen.
Der Gütersloher Landwirt importiert die Puten als winzige Küken aus Großbritannien. Die dort gezüchtete Rasse ist kleiner und widerstandsfähiger und damit weitaus besser für die Freilandhaltung geeignet als Puten aus deutscher Zucht, denen teilweise schon prophylaktisch Medikamente verabreicht werden. Zudem gilt ihr helles, marmoriertes Fleisch als besonders schmackhaft.
Sind die Küken erst einmal auf dem Hof in Gütersloh, bleiben sie dort ihr ganzes Leben. Auch die Schlachtung selbst findet auf dem Gelände statt. Dann schließt sich der Kreislauf fast. Sooft Haver Rassfeld die Puten versorgt, redet er mit ihnen. Aus unterschiedlichen Verhaltensweisen zog er längst den Schluss: Puten sind nicht so dumm, wie das Schimpfwort glauben machen will.
Verkauft werden die Puten übrigens im Hofladen, der bereits vor 40 Jahren als einer der ersten in NRW eröffnet wurde. Hier zahlt sich für die Familie Rassfeld die Nähe zur Stadt Gütersloh aus. Der Hof ist mit seinen alten, meist denkmalgeschützten Gebäuden an sich schon eine Augenweide. Haver Rassfeld betrachtet die Historie nicht als Last, sondern trotz naturgemäß höherem Aufwand für Pflege und Unterhaltung als großes persönliches Glück.
Unmittelbar an den Hofladen schließt sich eine Landstube an, in die die Familie jeden Sonntag zum deftigen Suppenessen einlädt. Für Kinder, die keinen Eintopf möchten, gibt es »Puten-Spaghetti«. Beliebter Veranstaltungsort für Geburtstags- und Hochzeitsfeiern ist die Partydeele. Bis zu 140 Gäste haben hier Platz.
Neben den Puten hält Rassfeld auch Hähnchen und Perlhühner. Auf 100 Hektar betreibt er Ackerbau (Mais, Roggen, Gerste, Kartoffel) und Forstwirtschaft. Der von zahlreichen Spazierwegen durchzogene Wald liefert Weihnachtsbäume, Kaminholz und neuerdings »Energiefutter« für die in wenigen Tagen in Betrieb gehende Hackschnitzelheizung. 15 000 Euro hat sie gekostet; in vorsichtig gerechneten zehn Jahren wird sie sich amortisiert habe.
www.meierhof.de

Artikel vom 13.12.2006