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Nieheim denkt touristisch
- für die ganze Region
Stolz auf den Deutschen Tourismuspreis 2006 für das »Westfalen Culinarium«
Sie haben alles richtig gemacht, die Nieheimer. Und sie machen weiter! Dass sie mit ihrem Museumsprojekt »Westfalen Culinarium« 2006 den renommierten Deutschen Tourismuspreis gewonnen haben, ist für Bürgermeister Johannes Kröling folglich nur zusätzlicher Ansporn, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
2007 will die kleine »Käsestadt« im Kreis Höxter mit der »Genuss-Akademie« neue Akzente setzen. Sie wird sich ebenso an Profiköche wie an interessierte Laien wenden, die hier ihre Kenntnisse erweitern möchten. Kröling und Theo Reineke, Vorsitzender des Verkehrs- und Kneippvereins, denken dabei zum Beispiel an die Ausbildung zum Käse-Sommelier. Sonderveranstaltungen sollen sich Spezialthemen widmen, zum Beispiel den immer bedeutsamer werdenden Lebensmittelunverträglichkeiten. Diese spielen besonders beim Käse eine Rolle. Nicht alle Sorten seien gleich tabu, wenn der Arzt zur Vorsicht beim Käsegenuss rät.
Außerdem sollen im Zwei-Monats-Rhythmus Koch-Shows mit heimischen Küchenchefs stattfinden, die sich als Protagonisten einer westfälischen Küche verstehen. Geplant ist außerdem, zusätzlich zum Museumsführer einen Leitfaden für Schulklassen herauszugeben.
2007 werden sich die Nieheimer außerdem vermehrt an Reisebusse im Stadtbild gewöhnen müssen: Um die angestrebten 40 000 Besucher in die sehenswerten Ausstellungen zu locken, hat man dass »Westfalen Culinarium« als Tagesziel von Busreisen etabliert. Außerdem denkt man im Rathaus darüber nach, gemeinsam mit Hoteliers aus den Kreisen Höxter, Lippe und Paderborn Angebote für Pauschalreisen zu entwickeln.
Wer glaubt, das »Westfalen Culinarium« sei eine durch und durch provinzielle Angelegenheit, kommt allerdings ob des internationalen Anstrichs aus dem Staunen nicht mehr heraus. So lernt man in den Museen zu den dezenten Klängen des norwegischen Jazzstars Jan Garbarek die Unterschiede zwischen Jamon Serrano, Prosciutto di Parma und Westfälischem Knochenschinken, erfährt, dass China das Land mit dem höchsten Bierkonsum auf der Welt ist, das Croissant ursprünglich von Wiener Bäckern als mondförmiges Gebäck zur Erinnerung an den Sieg über die Türken hergestellt und erst von Marie-Antoinette nach Frankreich gebracht wurde. Oder das Eisbein ursprünglich aus Schweden kommt. Das »isläggor« ist nämlich ein Röhrenknochen, der als Schlittschuh verwandt wurde - nachdem man das Fleisch drumrum abgenagt hatte.
Wenn es auch noch viel zu früh ist, Nieheim als lohnendes Reiseziel auf dem boomenden chinesischen Reisemarkt zu platzieren, so denkt Theo Reineke dennoch in diese Richtung: »Viele Firmen in unserer Region bekommen regelmäßig Besuch von Geschäftspartnern aus Asien. Denen kann man im Restaurant des Culinariums zeigen, dass deutsche Küche aus mehr als bayerischen Schmankerln, Thüringer Bratwurst und Rheinischem Sauerbraten besteht.« Da ist es gut, dass das Restaurant eine Cola-freie Zone ist. Stattdessen gibt es neben Bierspezialitäten auch Holunderlimonade und Molke.
Der Bürgermeister, der den Tourismus in seiner Stadt zur Chefsache erklärt hat und fehlende finanzielle Mittel durch Phantasie und Eigeninitiative ausgleicht, mag sich indes nicht nur auf die Entwicklung der Museumsmeile konzentrieren. »Dass die überregionalen Medien nach der Verleihung des Tourismuspreises dem ÝCulinariumÜ große Beiträge gewidmet haben, war eine prima Sache. Nach wie vor besteht aber das Problem, dass kaum jemand weiß, wo Nieheim denn nun eigentlich liegt.« Und es gebe ja auch noch die Nieheimer Holztage, den Nordic Fitness Park, den Kunstpfad und die Nieheimer Flechtheckenlandschaft.
»Unsere Zukunft liegt ganz eindeutig im Tourismus. Deshalb ist diese Vielfalt im Angebot wichtig. Wir wollen schließlich, dass die Leute wiederkommen.« Kröling hat erkannt, worauf es ankommt: »Wir wollen die Region voran bringen, nicht nur unsere Stadt.«
Wie man das macht, das können die anderen Städte durchaus von den Nieheimern lernen. Die Museen sind nämlich an sieben Tagen in der Woche geöffnet, der Museums-Shop mit Leckereien wie Bier-Gelee, Marzipanstollen, Potthast im Glas sowie natürlich einer tollen Käseauswahl und leckerem Schinken sogar bis 20 Uhr.
Soviel Service sucht man andernorts oft vergeblich. Deshalb ist es ziemlich unverständlich, warum die heimischen Brauereien so zögerlich reagierten, als es um die Selbstdarstellung im Biermuseum des »Culinariums« ging. Dieses Manko wird durch die kleine Hopfenplantage im Garten Êund dem Bierdeckel-Wurfspiel allerdings mehr als ausgeglichen. Und die basieren wieder auf der Phantasie der rührigen Macher von Nieheim. Thomas Albertsen

Artikel vom 16.12.2006