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Charismatisch,
visionär und hoch artifiziell

Hyperion-Ensemble begeisterte

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Erstklassige Ensembles und Interpreten der Kammermusik präsentiert die städtische Kammerkonzertreihe in schöner Regelmäßigkeit. Diesmal war es das Hyperion-Ensemble, das einem kleinen Kennerpublikum im kleinen Oetkerhallensaal einen höchst anregenden Abend bescherte.

Wohlbekannte und selten zu hörende Kammermusikwerke in einen neuen Zusammenhang zu stellen, ist ein Anliegen des Streichsextetts, welches sich 1997 aus Musikern renommiertester Orchester gründete.
Und die Programmphilosophie, in außergewöhnlichen Werkkombinationen die Intensität des gemeinsamen Musizierens in den Vordergrund zu rücken, dabei auch Zeiten und Stile zu überbrücken und Unterschiedliches wechselseitig zu beleuchten, ging bestechend auf.
Richard Strauss' »Capriccio«-Vorspiel gab dabei die Richtung vor: Ein intensives Aushorchen der Partitur und breites Ausschöpfen sämtlicher musikalischer Parameter geht beim Hyperion-Ensemble mit einer atemberaubenden Perfektion sowie mit visionärem Klanggefühl einher. So geriet das Capriccio zu einer weit ausschwingenden, bewegenden Petitesse.
Für viele die Entdeckung des Abends war Erwin Schulhoff (1894 bis 1942). Dessen 1924 fertiggestelltes Streichsextett spiegelt in expressionistischer Klangrede die Schrecken des Ersten Weltkrieges wider.
Bewundernswert und unter die Haut gehend, wie schroff auf der einen und feinnervig auf der anderen Seite der Viersätzer zum Klingen gebracht wurde, wie zwischen dramatischen Affekten und schmerzvollen Dissonanten hochartifizielle Ruhezonen eine bedrückende Innschau boten. Absolut bemerkenswert auch das Cello-Pianissimo, mit dem das Adagio mehr erstarb denn ausklang.
Inspiriert von einem Aufenthalt in der Toskana schrieb Peter Tschaikowski 1890 sein Streichsextett in d-Moll (nicht Dur, wie im Programmheft deklariert). Das Hyperion-Ensemble bot eine charismatische Wiedergabe, reizte temperamentvolle Steigerungen, gitarrenhafte Pizzicati und schwärmerischen Gesang in klanglicher Opulenz aus und bot somit einen atemberaubend neuen Zugang zu einem vertrauten Werk.
Nicht minder originell servierten die sechs Musiker zwei Sätze -Êdas Adagio und Presto -Ê aus Joseph Haydns Echo-Suite. Drei auf der Bühne, derweil drei im Wandelgang minutiös und gefühlvoll für die Echo-Effekte sorgten. Das Publikum goutierte das intensive Musikerlebnis mit heftigen Beifallsbekundungen.

Artikel vom 13.12.2006