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Fussball-WM

Fortsetzung von Seite 17


Als diese einmalige Weltmeisterschaft abgepfiffen wurde, zog Chef-Organisator Beckenbauer voller Stolz Bilanz: »Ich hätte nie und nimmer gedacht, dass es so gut laufen würde.« Fußball-Feiertage in zwölf Städten und Stadien.
Millionen begeisterter Fans vor den Video-Wänden im ganzen Land. Fanmeilen. Alle waren sie ein bisschen mehr oder weniger »balla-balla«. Der Kick vor und nach dem Kick. Absoluter Ausnahmezustand.
Aber immer festlich, fröhlich, und friedlich.
Keine Zwischenfälle, keine größeren Ausschreitungen. Und es störte auch niemanden, wenn die sportlichen Vorstellungen auf dem Rasen nicht immer das Niveau der Stimmung auf den Rängen erreichte.
Total egal.
Die Party ging weiter. Selbst Sepp Blatter, der Präsident des Fußball-Weltverbandes (FIFA), der kaum zu den engsten Freunden von Beckenbauer gerechnet werden darf, er tanzte mit und lobte die WM-Gala: »ein außergewöhnlich gutes Turnier.«
Die Welt war eben zu Gast bei Freunden.
Ein mutiges Motto. Ein hoher Anspruch, der in diesen vier Wochen umgesetzt werden konnte. Wobei »Freund« Blatter, er kommt aus der Schweiz, die Endrunde 2006 viel lieber in einem anderen Land erlebt hätte. Der Präsident favorisierte im Sommer 2000 vor der Abstimmung Südafrika. Doch Deutschland setzte sich knapp durch. Denn das »Blatt« des gerissenen Ober-Taktikers Blatter, es war damals nicht gut genug.
Also saß der FIFA-Boss am 9. Juni in München bei der Eröffnungsfeier ganz brav in der Ehrenloge neben Beckenbauer. Der thronte da wie ein richtiger »Kaiser«, denn das waren seine Spiele.
Alles lief bestens. Nur zweimal störten falsche Pfiffe. Die kamen aber nicht von den Zuschauer-Rängen, nein, auf dem Platz erwiesen sich Walentin Iwanow aus Russland und der Spanier Luis Cantalejo als Spielverderber. Zwei Unparteiische. Parteiisch der eine, überfordert der andere.
Denn den Strafstoß gegen die Australier in der letzten Minute, den hätte der Spanier nicht geben dürfen. Selbst Italiens Mittelfeld-Abräumer Gennaro Gattuso sprach später von einem »Elfmeterchen«. Kollege Francesco Totti nahm das Geschenk dankend an. Aus elf Metern zum Sieg. Das sollte sich am 9. Juli im Berliner Finale gegen Frankreich wiederholen. Für Australien hieß es jedoch: Endstation Achtelfinale.
Hier waren am Abend zuvor in Nürnberg schon die Niederländer gescheitert. 0:1 gegen Portugal. Vier Gelb-Rote und acht Gelbe Karten. Der Tiefpunkt der WM, an dem Iwanow einen erheblichen Teil der Schuld trug. Er griff bei dieser »Holzerei« viel zu spät ein. Blatter und Beckenbauer waren danach ausnahmsweise mal einer Meinung: »So nicht«. Versagt und verpfiffen. Iwanow und Cantalejo sahen auch »Rot« und wurden nicht mehr eingesetzt.
In nur einer WM-Partie, ebenfalls ein Achtelfinale, da geschah es, dass sich gleich beide Teams den Unmut des sonst immer so glänzend gelaunten Publikums zuzogen. Und zwar völlig zu Recht. Beim Nichtangriffs-Pakt zwischen der Schweiz und der Ukraine in Köln forderten die Zuschauer bereits vor der Halbzeitpause: »Ihr könnt nach Hause fahren.«
Alle beide. Aber das ging ja nicht, einer musste weiterkommen. Die Ukrainer durften jubeln, denn die Männer aus dem Lande des Wilhelm Tell trafen beim Elfmeterschießen nicht einmal. Die Kölner Kicker-Kunden hatten da längst abgeschaltet, sie sangen nur noch ihren lokalen Hit »Viva Colonia.«
Sich selbst feiern, das war auch ein Grund, warum während dieser tollen Tage immer und überall wieder Freude aufkam. Beckenbauer kommentierte die neue deutsche Heiterkeit so: »Wenn es neben den Stadien noch andere Spaß-Bühnen gibt -Ê um so besser.«
Ganz großes Theater fand zum Abschluss in Berlin statt. Ein Drama. In der Hauptrolle Zinedine Zidane. Der Franzose in seinem letzten Spiel, kurz vor dem Ziel. Da drehte er durch und ließ sich zu einem Revanchefoul gegen den Italiener Marco Matarazzi hinreißen.
Festlich? Fröhlich? Friedlich? So sah diese hässliche Sekunde nicht aus. Aber ein paar Minuten später war die WM 2006 ja ohnehin nur noch Geschichte.
Ja, ja, es war einmal.
In deutschen Stadien werden inzwischen nicht mehr alle Ausländer als »Freunde« gefeiert, der DFB und die Liga streiten sich um die Verteilung des WM-Gewinns. Und zur Sportler-Ehrung erschien die vor Monaten noch so umjubelte »Mannschaft des Jahres« nur mit drei Spielern - was Beckenbauer mächtig ärgerte. Da musste auch der »Kaiser« erkennen: Die sonnigen Zeiten sind vorbei.
Es ist wieder grauer Alltag.

Ein Beitrag von
Klaus Lükewille

Artikel vom 30.12.2006