12.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Polonium-Fahndung im Apfelland

Ein unter Strahlengiftverdacht stehendes Kind war hier im Kindergarten

Von Dirk Averesch
Haselau (dpa). Grüne Elbmarsch so weit das Auge reicht, dazwischen Apfelbäume bis zum Deich und Schilf, der im Straßengraben wächst. Das Idyll wäre perfekt, würde das Dörfchen Haselau bei Hamburg nicht ins Blickfeld der Ermittlungen rund um das Strahlengift Polonium rücken.

Nach ihren Funden von Polonium-Spuren in Hamburg haben die Ermittler der Sonderkommission »Dritter Mann« ihre Arbeit nach Haselau verlegt. In der Gemeinde führt die Polonium-Spur zu einem alten reetgedeckten Hof im Ortsteil Altendeich.
Dort steckt der »Holsteiner Anzeiger« vom 6. Dezember immer noch unangetastet im Postkasten an der Einfahrt des geräumten Hauses. Männer in weißen gummierten Schutzanzügen untersuchen ein Auto mit Totalschaden. Dieser blaue Kombi mit Hamburger Kennzeichen brachte Dimitri Kowtun, den Kontaktmann des mit Polonium ermordeten Ex-Agenten Alexander Litwinenko, nach seiner Landung in Hamburg auf den Hof. Hier übernachtete er auch. Die Besitzerin des Anwesens, das jetzt penibel nach weiteren Spuren des bereits entdeckten Poloniums abgesucht wird, ist seine ehemalige Schwiegermutter.
»Die Frau hat immer einen freundlichen Eindruck gemacht«, sagt Ernst Schröder, der schräg gegenüber einen Geflügelhof hat und Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Haselau ist. Bis vor kurzem sei auch noch ein Kind von Kowtuns Ex-Frau, in deren Hamburger Wohnung ebenfalls Polonium-Spuren entdeckt worden waren, in der Gemeinde in den Kindergarten gegangen.
Ob der Unfall des Autos im Zusammenhang mit der Polonium-Affäre steht, kann oder darf der Schutzmann von Haselau, Michael Bentel, nicht sagen. »Außer der Sturmflut 1976 ist hier noch nie so etwas Großes passiert«, merkt er aber an. Normalerweise sei die Haseldorfer Marsch für ihre Apfelkulturen berühmt. Momentan signalisieren aber Scheinwerferwagen, Polizeicontainer und ein lautstarker Stromgenerator des Technischen Hilfswerkes den Ausnahmezustand.
Vor der Haustür des Anwesens steht neben dem mysteriös verunglückten blauen Kombi auch eine silberfarbene Limousine, deren Türen von der Polizei versiegelt worden sind. Im Garten des Anwesens leuchtet ein großes orangefarbenes Zelt. Dort lagern Polizisten und Spezialisten Instrumente und Gegenstände.
Ob in Haselau noch mehr Menschen mit dem Polonium in Kontakt gekommen sind, werden die kommenden Tage zeigen.

Artikel vom 12.12.2006