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Weltmeister Wladimir Kramnik stellte sich im Forum der Bundeskunsthalle in Bonn dem vermutlich stärksten Schachprogramm der Welt, DEEP FRITZ 10 von Chessbase aus Hamburg, in einem kurzen Wettkampf über sechs Partien. Nach einem überzeugenden Vortrag in der 1. Runde, als eher FRITZ dankbar sein musste für den halben Punkt, kam die 2. Partie, an die sich alle Anwesenden lange erinnern werden.


Damengambit

Weiß: DEEP FRITZ 10
Schwarz: Kramnik, W.

1.d4 d5 2.c4 dc4 3.e4 b5 4.a4 c6 5.Sc3 b4 6.Sa2 Sf6 7.e5 Sd5 8.Lc4 e6 Schwarz hat das Figurenfeld d5, muss aber noch für seinen rückständigen c-Bauern sorgen. Den wird Weiß zünftig belagern, indem er auf c5 drückt und den Bauern so am Vorrücken zu hindern sucht. Andersherum: wenn Kramnik zu c6-c5 kommt, steht er gut. 9.Sf3 a5 10.Lg5 Db6 11.Sc1 La6 12.De2 h6 13.Le3 Lc4 14.Dc4 Sd7 15.Sb3 Le7 16.Tc1 0-0 17.0-0 17.Dc6 Dc6 18.Tc6 S7b6 ist schwach, denn nach dem Fall des Ba4 hat Schwarz ein gewinnverheißendes Endspiel. 17...Tfc8 18.De2 c5 Der Weltmeister ist ein begeisterter Tennisspieler, und hier würde er vielleicht »Advantage Kramnik!« rufen. 19.Sfd2 Dc6 20.Dh5 Was sind die Alternativen? 20.Ta1 sieht wegen 20...c4 21.Tfc1 S7b6 nicht gut aus, z.B. 22.Sc4!? Sc4 23.Sd2 Sc3!. Das aggressive 20.Dg4 Se3 21.fe3 Da4 22.Tf7, das im Presseraum diskutiert wurde, kann zu der messerscharfen Variante 22...Kf7 23.Tf1 Kg8 24.De6 Kh8 25.De7 c4 26.Tf7 Tg8 27.Dd7 Dd7 28.Td7 cb3 führen, in der der a-Bauer schnell ist. 20...Da4 21.Sc5 Sc5 22.dc5 Se3 Das hätte nicht jeder gemacht; den Einschlag auf f7 kann man aber gut aushalten. 23.fe3 Lc5 24.Df7 Kh8 25.Df3 Tf8 26.De4 Dd7 27.Sb3 Lb6 Der Plan ist klar: a5-a4 und weiter bis a1. A la longue sollte DEEP FRITZ dem nichts entgegenzusetzen haben, z.B. 28.Sd4 a4 29.Tf3 a3 30.ba3 ba3. 28.Tfd1 Df7 29.Tf1 Da7 Weicht der Zugwiederholung aus und greift den Felderkomplex e3-c1-g1 an. 30.Tf8 Tf8 31.Sd4 a4 32.Se6 Le3 33.Kh1 Lc1 Der erste Schritt vom Wege. 33...Te8 34.Tf1 (nicht 34.Te1?! a3 35.ba3 ba3 36.De3 De3 37.Te3 Ta8) 34...Da6 mit Vorteil ist angesagt. 34.Sf8 De3 Zog's, griff seine leere Kaffeetasse und machte sich auf den Weg zum Ruheraum, um sich für die nächste Partiestunde zu stärken. Die einsetzende Unruhe im proppenvollen Turniersaal ließ ihn stutzen und ans Brett zurückkehren.
DEEP FRITZ blinkte unterdessen hektisch und ließ seinen Bediener, den Chessbase-Experten Mathias Feist, zuerst an einen unvermuteten Programmfehler glauben (»Und das vor den Augen der ganzen Welt!«). Feist, selbst ein guter Spieler, hatte übrigens auch 34...De3 ziehen wollen... 34...Kg8 führt zum Remis: 35.Sg6 Lb2 36.Dd5 Kh7 37.Sf8 Kh8 38.Sg6. 35.Dh7 matt. Dieser Einsteller wird Wladimir Kramnik wohl noch lange nachhängen. Um so bewundernswerter ist es, wie souverän er die nächsten Partien im Gleichgewicht hielt.


H. Grasemann, DSZ 1952Matt in fünf Zügen


Lösung der Schachaufgabe von Th. Herlin:

Die Urform des „Herlin“-Themas, also Besetzung des kritischen Feldes (hier c7) und die zweizügige perikritische Umgehung: 1. Kc7! Ka5 2.Lf6 Ka6 3.Ld8 Ka5 4.Kb7 matt.

Die »Meisterpartie« schreibt der Internationale Fernschachmeister Christoph Pragua.

Artikel vom 16.12.2006