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Richard Oetker 1980 auf dem Weg zur Verhandlung gegen Dieter Zlof.

»Ich leide an den
Folgen der Tat«

Richard Oetker heute bei »Kerner«


Bielefeld (WB/dpa). »Ich leide ein Leben lang an den Folgen der Tat.« Der Satz stammt von Richard Oetker, eines der bekanntesten Kriminalitätsopfer in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Heute, Dienstag, 12. Dezember, ist Oetker Gast in der Talkshow von Johannes B. Kerner (ZDF, 22.45 Uhr). Zum 30-jährigen Bestehen des Opferhilfe-Vereins »Weißer Ring« bricht er sein Schweigen.
Die Ereignisse 1976 waren ein Albtraum: Am 14. Dezember entführte der Automechaniker Dieter Zlof in Freising bei München den damals 25 Jahre alten Industriellensohn. Nach der Zahlung von 21 Millionen Mark Lösegeld kam das Opfer zwei Tage später wieder frei. Erst gut zwei Jahre später fasste die Polizei den Entführer. Zlof wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, die er fast bis auf den letzten Tag absitzen musste. Oetker erlitt bei der Entführung schwere Verletzungen, die ihn bis heute quälen. Oetker erlitt in einer engen Kiste, in der er eingepfercht war, neben Wirbelverletzungen vor allem komplizierte Becken- und Oberschenkelbrüche.
»Ich kann nicht lange stehen, und ich kann nicht weit laufen«, schilderte er Anfang 2006 in Kiel anlässlich einer Ausstellung des Opferschutzvereins Weißer Ring, als er erstmals ausführlich über sein Martyrium sprach. Auch die Erinnerung sei belastend. Beispielsweise habe er in der Nähe eines der Verstecke häufiger einen Schäferhund bellen hören. »Dieses Bellen kann ich nicht vergessen. Wenn ich alleine bin und irgendwo einen Schäferhund höre, kommen die Erinnerungen an die Situation wieder hoch.«
Erst nach zwei Jahren Fahndung kam die Polizei dem Entführer erstmals auf die Spur. Am Lösegeld hatte er wenig Freude: Mehr als die Hälfte der Beute wurde 1997 bei ihm sicher gestellt, ein zweiter Teil verrottete in vergrabenen Plastiksäcken. Bei dem Versuch, halbwegs erhaltene Lösegeld-Tausender im Wert von 12,5 Millionen Mark umzutauschen, wurde Zlof 1997 in London erneut festgenommen. »Ich verspüre keinen Hass«, sagte Oetker. Dass Zlof die Höchststrafe von 15 Jahren abgesessen hat, sei ihm aber wichtig: »Wichtig ist, dass ein Täter eine angemessene Strafe bekommt, um damit andere zu warnen, dass sich Verbrechen nicht lohnt.«

Artikel vom 12.12.2006