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Gewinnversprechen machen viele blind

André Bittner über typische Fehler bei den Anlegern

Von Bernhard Hertlein
Paderborn (WB). Was machen Profis anders als Amateure? Warum schneiden institutionelle Anleger so viel besser ab als Private? Nach Ansicht von André Bittner, unabhängiger Vermögensverwalter aus Paderborn, entscheiden viele Anleger noch zu sehr aus dem Bauch.
André Bittner berät Anleger seit 1988. Foto: Hertlein

Zum Beleg für die beispielhaft große Aversion der meisten Anleger gegen Verluste zitiert Bittner gern einen Aphorismus Jean Pauls: »Der Gewinn macht uns nicht halb so glücklich, wie uns der Verlust unglücklich macht.« Besser sei es, mögliche Verluste vorher einzukalkulieren und durch geschickte Aufteilung der Anlagen auszugleichen. Dann dürften die Anleger aber nicht für jede Anlage ein separates »mentales Erfolgskonto« eröffnen.
»Die meisten Anleger sind kurzsichtig«, nennt Bittner einen weiteren psychologischen Verursacher von Anlegerfehlern. Künftige Bedürfnisse würden unterschätzt. Es brauche schon ein großes Vermögen, wolle man mit 80 oder 90 Jahren nicht plötzlich vor dem Nichts stehen. Bittner: »Wer 20 Jahre vor Eintritt in den Ruhestand 25 Jahre lang eine monatliche Rente von 2500 Euro beziehen will, muss bis dahin ein Vermögen von 1,1 Millionen Euro aufbauen.«
Die Anleger verließen sich zudem gewöhnlich auf die statistische Inflationsrate. Das sei trügerisch. Zum einen gebe es Faktoren etwa auf Seiten der Rohstoff- und Energiemärkte, die die Inflation künftig wieder sehr viel mehr anheizen könnten als zuletzt. Zum anderen gebe es eine »persönliche Inflationsrate«, die von der statistischen weit abweichen könne, Wer beispielsweise als Raucher nicht auf seine Zigaretten verzichten oder als Fernsehzuschauer gern an der neuesten technischen Entwicklung teilhaben wolle, müsse deutlich höhere Preissteigerungen bei seinen Planungen berücksichtigen.
Doch selbst wenn der Anleger sein Ziel kenne, könne er durch die Art der Präsentation noch zum Opfer seines Anlageberaters werden. Es sei nun mal so, bei Chancen schnell das Euro-Zeichen in den Augen der Menschen sichtbar werde, während sie bei der Darlegung von Risiken gerne weghörten. Unseriöse Berater erzählten deshalb gern »Geschichten«. Sie präsentierten Tabellen über vergangene Gewinne. Doch so imposant manche Ertragsreihe auch sei: Für die Zukunft könne man daraus ohne Rating überhaupt keine Handlungsmaximen ableiten. Bankeigene Produkte würden von den Instituten nach wie vor besonders gern vermarktet. Bei anderen Anlagetipps fließe der größte Teil des Ertrags in Transaktionskosten oder in die Prämie des Beraters.
Die Anleger selbst kauften gern Papiere von Unternehmen, die ihnen bekannt seien. Deshalb sei in den meisten Depots der Anteil inländischer Aktien mittel- bis langfristig zu hoch.
Auch hinsichtlich der Investitionen in Wohnimmobilien ist Bittner kritisch. Bei einer schrumpfenden Bevölkerung könne man schlechterdings steigende Mieten erwarten. Dies könne in Ostwestfalen, wo die Neigung, in Wohnungen zu investieren, besonders groß sei, noch zu einem bösen Erwachen führen.
»Fast alle für Kunden berechneten Auszahlungspläne sind fehlerhaft«, stellt Bittner fest. Oft berücksichtigten sie weder Inflation noch Steuern: »Schauen Sie sich nur einmal die Berechnungen vom Bundesverband Investmentgesellschaften an.«
Nach Ansicht Bittners braucht der Anleger für sein gutes Kapital einen guten Sparringspartner. Vor jeder grundlegenden Anlageentscheidung müsse der Status quo ermittelt und im Zusammenhang mit möglicherweise veränderten Vermögenszielen überprüft werden. Bittner, nach eigenen Angaben einziger Vermögensverwalter mit entsprechender Zulassung im Raum Paderborn, beschäftigt in seinem 1988 gegründeten Büro vier Mitarbeiter.
Wie bei ähnlichen Büros, mit denen er in einem Netzwerk zusammenarbeitet, beginnt die Erstellung einer individuellen Vermögensverwaltung bei etwa 250 000 Euro. Standardisiert geht es schon ab 50 000 Euro.

Artikel vom 12.12.2006