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Ehemann hat ein gutes
Gedächtnis - und Glück

Anne Rudolf fachsimpelte in der Theaterschneiderei

Von Burgit Hörttrich und
Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Anne Rudolfs Ehemann Ingo hat ein gutes Gedächtnis. Er konnte sich an einen Wunsch erinnern, den seine Frau vor »gut und gern 20 Jahren« geäußert hatte: nämlich die Theaterschneiderei zu besichtigen. Um aufwändige Bühnenkostüme »von ganz nah« zu sehen und anzufassen.

Der pensionierte Pädagoge beteiligte sich heimlich an der WESTFALEN-BLATT-Aktion »Wünsche werden wahr«. »Als die Benachrichtigung in unserem Briefkasten landete, war ich total überrascht,« lacht Anne Rudolf. Denn zu ihrem großen Bedauern hatte sie am Tag der offenen Tür zur Einweihung des Stadttheaters nicht dabei sein können; schon an diesem Tag wäre ihr erstes Ziel die Schneiderei gewesen.
Begrüßt vom Leiter der Kostümabteilung des Theater Bielefeld, Thomas Wittland, freute sich Anne Rudolf gestern, endlich doch die Kostüme, die sie als langjährige Abonnentin auf der Bühne regelmäßig bewundert unmittelbar in Augenschein nehmen zu können.
»Schon als Zehn-, Elfjährige habe ich begonnen, selbst zu nähen,« erzählt Anne Rudolf Theaterschneiderin Inge Westhausser. Für sie selbst seien bei Kleidung von der Stange oft die Hosenbeine oder die Röcke zu lang. Anne Rudolf kürzt und näht gern auch Taschen ein: »Dann hat man vieles wie die Brille immer bei sich, kann nichts verlegen oder verlieren.« Echte Taschen seien bei Theaterkostümen selten, würden nur dann angebracht, wenn der Schauspieler oder Sänger wirklich etwas zu verstauen hätte. Inge Westhausser: »Alles andere ist Dekoration.«
Anne Rudolf hat selbst schon an Nähwettbewerben teilgenommen: »Einer hieß 'Nadelprinzessin' - ich bin 15. geworden, mit einem Hosenanzug, den ich selbst genäht und vorgeführt habe.«
Sie ist begeistert von den vielen Schnittmustern, den Kästen für Federboas, Spitzen, Schulterpolster in der Schneiderei an der Brunnenstraße. Sie erfährt, dass mitunter auch Kleidungsstücke fertig eingekauft werden: Blusen oder Hemden etwa, die Chor oder Statisterie tragen. Dass private Kleidung auf der Bühne angezogen würde komme so gut wie nie vor, erklärt Inge Westhausser.
Anne Rudolf kennt Schauspieler und Sänger namentlich, möchte wissen, wie häufig Anproben stattfinden müssen und meint: »Therese Berger oder Cornelie Isenbürger - denen steht doch bestimmt alles.« Sie stimmt mit Inge Westhauser überein, dass Kleidung vorteilhaft wirken kann, aber auch, dass Korpulente nicht automatisch schlank werden: »Das funktioniert einfach nicht.«
Anne Rudolf und ihr Mann haben ihre Abonnenten-Plätze im Stadttheater »ziemlich weit vorn im Parkett«. Sie freut das besonders: »Da kann ich mir die Kostüme immer genau anschauen - praktisch jede Naht.«

Artikel vom 09.12.2006