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Franz Josef Jung

»Wir haben humanitäre Verpflichtungen, wenn es zu Massenmorden in Afrika kommt.«

Leitartikel
Bundeswehr im Sudan

Auffällig unauffällig
längst dabei


Von Reinhard Brockmann
Gut, dass es das so genannte vereinfachte Zustimmungsverfahren gibt. Wenn nicht eine Bundestagsfraktion dagegen ist und fünf Prozent aller Abgeordneten innerhalb von zwei Sitzungstagen widersprechen, ist die Sache beschlossen. Fertig.
Welche Sache? Müssen wir das wirklich wissen? Eigentlich ist es doch ganz angenehem, wenn in der Politik auch mal etwas geschmeidig, ohne großes Trara und unter allseitigem Nicken durchs Ziel geht, oder nicht?
Nichts ist derzeit unpopulärer, als über Auslandsaufgaben für die Bundeswehr zu beschließen. Das gilt insbesondere kurz vor Weihnachten, wenn alle deutschen Kongo-Kämpfer wieder bei ihren Lieben sein soll - der Minister hat's schließlich versprochen.
Auffällig unauffälig wird soeben die Verlängerung des Bundeswehr-Mandats für den Sudan im deutschen Bundestag durchgewunken. »Der Bevölkerung ist zum Teil gar nicht bekannt, dass wir schon lange im Sudan engegiert sind«, sagt Franz Josef Jung. Der Bundesverteidgungsminister darf sicher sein, dass fast niemand weiß, dass jederzeit 200 Bundeswehrangehörige allein in der Völkermordprovinz Darfur eingesetzt werden können. Weitere 75 deutsche Soldaten sind für den Süden zugesagt, wo nach 21 Jahren Krieg von echtem Waffenstillstand immer noch nicht die Rede sein kann.
Bleiben wir an der Westgrenze des flächengrößten Staates in Afrika. Dort sowie in den angrenzenden Staaten Tschad und Zentralakrikanische Republik (ZAR) entwickelt sich soeben mehr als ein Regionalkonflikt, der nicht in Berlin, wohl aber in Paris die Alarmglocke schrillen lässt. Rebellengruppen erhalten von der jeweils anderen Seite offenbar Waffen und Unterstützung im Kampf gegen ihre Regierungen, die selbst wiederum ziemlich undurchsichtige Ziele verfolgen.
Schlimmer noch: Allein in Darfur hat sich die Lage dermaßen zugespitzt, dass die Friedenstruppe der Afrikanischen Union mancherorts die Flucht ergreift vor den bislang nur als Kamelreiter-Horden bekanntgewordenen Janjaweed ergreift.
Deutschland hat Aufgaben zur Transportunterstützung der schlecht ausgerüsteten Peacekeeper übernommen, mehr nicht. Aber genau könnte gefährlich werden: Je mehr die Mordbrenner aus dem Sattel auf mittelschwer bewaffnete Pickups umsteigen - »Gunships« genannt - um so verzweifelter dürften in den nächsten Wochen die Rufe nach Transportunterstützung klingen - und zwar mitten aus dem dicksten Schlamassel heraus.
Noch sind nur 40 deutsche Soldaten in Darfur im (Luft-)Einsatz. Aber die Auffüllung des Kontingentes ist schneller vorstellbar, als eine Einigung der Vereinten Nationen auf ein »großes« Darfur-Mandat mit knapp 20000 Kräften. Sie sollen 8000 AU-Soldaten entsetzen.
Der vielgescholtene Minister Jung lag also völlig richtig, als er dieser Tage von bevorstehenden deutschen Aufgaben im Sudan sprach. Das wollte allerdings niemand hören.

Artikel vom 11.12.2006