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Da ist kein Tag ohne Linie

Ausstellungen mit Paul-Klee-Werken in Köln und Brühl

Von Gerd Korinthenberg
Köln/Brühl (dpa). Mit winziger Handschrift notierte Paul Klee (1879-1940) seine tägliche künstlerische Produktion in genaue Listen. Seiner zu Jahresende 1938 vollendeten 365. Zeichnung mit dem vielsagenden Titel »Süchtig« gab der bereits kranke Künstler den Zusatz »Kein Tag ohne Linie«.

Das antike Zitat ist Titel einer Ausstellung, in der das Kölner Museum Ludwig erstmals in Deutschland mit etwa 200 Arbeiten das wenig bekannte Spätwerk des bedeutenden deutsch-schweizer Pioniers der Klassischen Moderne vorstellt. Im Max Ernst Museum zu Brühl sind in der zeitgleichen Schau »In Augenhöhe« von diesem Samstag an (bis 4. März) frühe Arbeiten Klees zu sehen, die das enge Verhältnis des Surrealisten Max Ernst zu seinem zwölf Jahre älteren Kollegen beleuchten.
Ganz so, als ob er in Erwartung des nahenden Todes seiner Schaffenswut klare Linien geben wollte, gliederte Klee sein Spätwerk erstmals in Motiv-Zyklen: Eine Serie von Engeln erscheint, die als »vergesslicher engel« oder »unfertiger engel« eher dämonisch als trostreich wirken. Den Betrachter tief berührend ist das sensible Gleichgewicht, mit dem die surrealen Blätter Grusel und Groteske, Humor und Horror verschmelzen.
Fernab der künstlerischen Kalkulationen aus dem Geist des Bauhauses finden sich in Klees Werk nun in der Nähe Miros und Picassos surreale Symbole wie Rad, Stern oder zu Strichen abgemagerte Lebewesen. Ein Fenster zum oft karikierenden frühen Klee öffnet mit 95 Blättern das Brühler Max Ernst Museum in der Schau »In Augenhöhe«. Der spätere Surrealismus-Pionier Ernst traf 1912 in einer Kölner Ausstellung auf Klees Werke, besuchte den Kollegen später in München und nahm 34 Arbeiten in Kommission.
Erstmals sind nun diese beiden Konvolute wieder zusammengebracht worden. Die Wolkengestalten »Klumpgeister, Wischgeister« von 1908, die an Beuys-Zeichnungen erinnernden archaischen Gestalten in »Versprechungen« (1912) oder das seltene Ölbild »Kl. Landschaft« (1919) mit wirbelnden Bäumen und rotierendem Sonnenrad legen die Wurzeln des Surrealismus bloß. Das dritte, mit Archivalien bestückte Brühler Ausstellungskapitel ist der Rolle Klees in der Surrealisten-Bewegung gewidmet und entzückt mit traumverlorenen Blättern wie dem rosaroten »Bild aus dem Boudoir« (1922) oder der an Klees tunesischem Farbrausch orientierten Landschafts-Paraphrase »mit der sinkenden Sonne« von 1919.

Artikel vom 09.12.2006