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Köhler verweigert Unterschrift

Bundespräsident hält Verbraucherinformationsgesetz für verfassungswidrig

Berlin (Reuters). Die große Koalition ist zum zweiten Mal mit einem Gesetzesvorhaben bei Bundespräsident Horst Köhler gescheitert.

Köhler entschied am Freitag in Berlin, das geplante Verbraucherinformationsgesetz zu stoppen. Das Gesetz trage der neuen Verfassungslage nach der Föderalismusreform nicht Rechnung und verstoße gegen das neue Verbot, mit einem Bundesgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen, hieß es in einer Erklärung des Präsidialamtes. Das Verbraucherschutzministerium kündigte eine Überarbeitung des Gesetzes an.
Ende Oktober hatte Köhler dem Gesetz zur Privatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS) wegen Verfassungsbedenken seine Unterschrift verweigert. Hier soll eine Grundgesetzänderung das In-Kraft-Treten doch noch ermöglichen. Die Opposition wertete die ungewöhnliche Entscheidung des Staatsoberhauptes als schwere Schlappe für die Koalition und als Beweis für handwerkliche Schlampereien des Regierungsbündnisses.
Im Fall des Verbraucherinformationsgesetzes schließt Köhler sich nach Angaben seines Amtes den verfassungsrechtlichen Bedenken an, die von mehreren Ländern geäußert worden waren. Nach den Grundgesetzänderungen, die zum 1. September im Zuge der Föderalismusreform in Kraft getreten waren, gelte für den Bund ein Verbot, durch Bundesgesetz Gemeinden oder Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen. Dies sei nur auf einem Umweg über die Länder möglich.
Das Verbraucherinformationsgesetz sehe jedoch eine Verpflichtung der kommunalen Verbände vor, Anträge auf Herausgabe von Information zu prüfen und zu bescheiden.
»Nach Auffassung des Bundespräsidenten kann den berechtigten Belangen des Verbraucherschutzes sehr schnell durch die erneute Verabschiedung des Gesetzes ohne die verfassungsrechtlich unzulässige Aufgabenzuweisung Rechnung getragen werden«, teilte das Präsidialamt mit und wies damit einen Ausweg.
Das Verbraucherinformationsgesetz, das Ende September vom Bundesrat verabschiedet worden war, soll unter anderem dazu dienen, Lebensmittelskandalen wie etwa den Gammelfleischfällen der vergangenen Monate wirksamer vorzubeugen. Verbraucher sollen einen besseren Zugang zu Informationen erhalten. Zugleich soll der Informationsfluss zwischen den Behörden verbessert werden.
Die Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums, Ulrike Hinrichs, sagte, die Entscheidung werde respektiert, obwohl die Verfassungsmäßigkeit mit allen beteiligten Ressorts geprüft worden sei. »Es gab dabei keine verfassungsmäßigen Bedenken.« Die Bundesregierung werde das Gesetz erneut auf den Weg bringen und dabei die Einwände Köhlers einbeziehen, sagte die Sprecherin von Minister Horst Seehofer (CSU).
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf der Koalition vor, die Bürgerrechte zu missachten. »Das kann man mit unprofessionellem Dilettantismus nicht mehr erklären«, sagte sie. Dahinter stecke eine Geringschätzung der Rechte der Bürger.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 09.12.2006