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600 Hilferufe sorgender Eltern

Brief-Flut erreicht Andreas-Gärtner-Stiftung - 500 000 Euro ausgeschüttet

Von Christian Althoff
Porta Westfalica (WB). Annähernd 600 Familien haben sich in diesem Jahr mit der Bitte um finanzielle Hilfe an die Andreas-Gärtner-Stiftung gewandt - so viele wie noch nie. »Für Eltern behinderter Kinder sind wir oft die letzte Instanz«, erklärte gestern Stiftungsgründer und Unternehmer Hermann Gärtner aus Porta Westfalica.

Viele Bittbriefe seien ihm unter die Haut gegangen, sagte Gärtner und berichtete von dem Fall einer Familie aus Horn-Bad Meinberg: »Die Eltern haben drei behinderte Kinder. Weil der Vater Schichtarbeiter ist, muss die Mutter den Alltag mit den Kleinen alleine meistern. Und das hält auf Dauer niemand durch.«
Der Möbelunternehmer (»Porta«, »Boss«) weiß, wovon er spricht, denn er hat selbst einen geistig behinderten Sohn gehabt, der 1998 verstorben war. Gärtners Stiftung hat der Familie aus Horn-Bad Meinberg Geld für eine stundenweise Haushaltshilfe zur Verfügung gestellt: »Damit die Mutter mal wieder durchatmen kann.«
Gerührt hat den Unternehmer auch der Fall einer Mutter aus Bielefeld, deren behinderter Sohn in diesem Jahr gestorben ist: »Wir hatten der Frau vor Jahren ein behindertengerechtes Auto geschenkt. Nach dem Tod ihres Kindes war sie nun der Meinung, der Wagen stehe ihr nicht mehr zu. Sie hat ihn uns zurückgegeben, obwohl sie danach nur noch umständlich mit Bussen und Bahnen zur Arbeit kommen konnte.« Die Selbstlosigkeit der Frau beeindruckte Hermann Gärtner so sehr, dass er ihr kurzerhand den VW Polo seiner Tochter schenkte, die gerade einen neuen Wagen bekommen hatte.
Der zurückgegebene, rollstuhlgerechte Wagen ging an eine Mutter, deren Sohn seit 13 Jahren im Wachkoma liegt. Gärtner: »Er hatte als Kind eine Erdnuss in die Luftröhre bekommen.«
5,5 Millionen Euro hat die Andreas-Gärtner-Stiftung seit ihrer Gründung 1993 ausgeschüttet. Geldgeber sind die Familien der »Porta-Möbel«-Inhaber Hermann Gärtner und Wilhelm Fahrenkamp sowie zahlreiche Spender. So überraschte Spielautomaten-Unternehmer Paul Gauselmann aus Espelkamp Hermann Gärtner zu dessen Bundesverdienstkreuzverleihung im Oktober mit einem Scheck über 15 000 Euro.
In diesem Jahr hat die Stiftung annähernd 500 000 Euro ausgezahlt - an 48 Familien und 44 Behinderteneinrichtungen. »Wir würden gerne noch mehr Menschen helfen, aber unsere Mittel sind begrenzt«, erklärte Gärtner, der in dieser Woche gemeinsam mit dem Stiftungsbeirat über die Auszahlung entschieden hat.
So erhalten mehrere Eltern spastisch behinderter Kinder den von ihnen erbetenen Reisekostenzuschuss, um einen bestimmten Arzt in der Ukraine aufsuchen zu können, von dem sie sich Hilfe erhoffen. »Ob diese Mann das Leiden tatsächlich lindern kann - ich weiß es nicht. Aber manchmal versetzt der Glaube ja Berge«, sagt Hermann Gärtner. Er wisse aus eigener Erfahrung, dass man sich an jeden noch so dünnen Strohhalm klammere, um dem eigenen Kind zu helfen.
Zu den Menschen, die in diesem Jahr von der Stiftung bedacht worden sind, gehört auch die fünfköpfige Familie Heinisch-Lange aus Hüllhorst (Kreis Minden-Lübbecke). Vor neun Jahren war der älteste Sohn Jan Erik behindert zur Welt gekommen. Inzwischen ist er so groß, dass er mit seinem Kinder-Rollstuhl nicht mehr durch die Heckklappe des Familienautos passt. Die Stiftung bezuschusst deshalb den Kauf eines größeren Wagens mit 5000 Euro. »Es ist ein Segen, dass es Menschen wie Hermann Gärtner gibt«, sagte Jan Eriks Mutter Andrea Heinisch-Lange gestern dankbar. »Seine Stiftung ist für Eltern wie uns die letzte Instanz, denn von Krankenkassen oder anderen Versorgungseinrichtungen darf man nicht allzu viel erwarten.« andreas-gaertner-stiftung.de

Artikel vom 08.12.2006