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Türkei kommt der EU entgegen:
Ein Hafen soll geöffnet werden

Ankara will Aussetzung der Beitrittsverhandlungen verhindern

Brüssel/Ankara (dpa). Die Türkei hat die Öffnung eines Hafens und eines Flughafens für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern angeboten, um eine teilweise Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union zu verhindern.

Die Bereitschaft wurde von EU- Kommissionspräsident José Manuel Barroso gestern in Brüssel als »sehr wichtiger Schritt« begrüßt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach in Berlin von einem »positiven Element«. Wegen Forderungen Ankaras nach griechisch-zyprischen Gegenleistungen galt aber als fraglich, dass ein Durchbruch noch vor dem EU-Gipfel in einer Woche in Brüssel wirklich möglich ist.
Die finnische Ratspräsidentschaft teilte mit, die Türkei sei bereit, »einen Hafen und möglicherweise einen Flughafen« für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern zu öffnen. Unklar war jedoch zunächst, ob Ankara - wie türkische Medien berichteten - im Gegenzug ein Ende der Isolierung des seit 1974 von türkischen Soldaten besetzten Nordteils Zyperns verlangt. Die Regierung in Nikosia bekräftigte gestern die Weigerung Zyperns, die Isolierung des Nordteils zu beenden. Das griechische Außenministerium sagte, die Türkei sei ohnehin zur Öffnung sämtlicher Häfen und Flughäfen auch für das EU-Mitglied Zypern verpflichtet.
Barroso erklärte: »Wir hoffen, bald Klarheit über den Inhalt der türkischen Vorschläge zu haben. Wenn das Angebot bestätigt wird, dann wäre das natürlich ein sehr wichtiger Schritt zur vollen Einhaltung des Ankara-Protokolls.« Dieses Protokoll weitet die Zollunion zwischen der Türkei und der EU auch auf die 2004 beigetretenen zehn neuen Staaten, darunter Zypern, aus.
Die EU-Kommission hat den am Montag in Brüssel tagenden Außenministern vorgeschlagen, wegen Nicht-Einhaltung des Ankara-Protokolls die Verhandlungen mit der Türkei in acht von 35 Bereichen vorläufig auszusetzen. Ein Sprecher des griechischen Außenministeriums sagte weiter, es müssten sogar mehr als nur acht Bereiche sein. Athen unterstütze auch den deutschen Vorschlag, Ankara eine Frist von 18 Monaten bis zur Öffnung aller Häfen und Flughäfen zu geben.
Eine Kommissionssprecherin sagte in Brüssel, falls sich Medienberichte über das türkische Angebot bestätigten, werde dies »einen positiven Einfluss auf die Gespräche über das weitere Vorgehen bei der Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen haben«. Die EU-Botschafter, die gestern ebenfalls von der finnischen Ratspräsidentschaft keine Auskunft über Details und Bedingungen des türkischen Angebots erhielten, verabredeten sich für heute zu einer Sondersitzung.
Barroso wandte sich gegen die handelspolitische Isolierung des türkisch kontrollierten Nordteils der Insel, auf der die Regierung in Nikosia beharrt. »Wir sind für das Ende der Isolierung und haben schon seit einiger Zeit entsprechende Vorschläge gemacht«, sagte Barroso.
Als völlig unzureichend hat der Vorsitzende des außenpolitischen Aussschusses des Europaparlaments, der Bielefelder CDU-Abgeordnete Elmar Brok, gestern gegenüber dieser Zeitung das angebliche Entgegenkommen der Türkei bezeichnet. »Die Türkei stellt Bedingungen, das ist nicht akzeptabel.« So solle die Öffnung eines Hafen sowie eines Flughafens nur für ein Jahr gelten, außerdem werde die Wiederaufnahme des Annan-Plans in der Zypernfrage verlangt. Und schließlich erfülle die Türkei nicht die im sogenannten Ankara-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen, alle Häfen und Flughäfen zu öffnen.
In der Sache hat sich für Brok mit diesem Schachzug Ankaras nichts geändert. Die Türken hätten damit nur den Ball in den Garten Zyperns geschossen und damit die Verantwortung für Entscheidungen der EU-Regierungschefs in der kommenden Woche verschoben. Brok befürchtet: »Die Türken wären Sieger auf der ganzen Linie.«
Brok unterstützt nach wie vor den Vorschlag von Kanzlerin Angela Merkel, die Beitrittsverhanlungen mit der Türkei vor der Europawahl 2009 zu überprüfen. Er glaubt jedoch, dass dies nach dem gestrigen Vorstoß Ankaras schwerer durchzusetzen sein wird.
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Artikel vom 08.12.2006