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Äpfel noch gesünder machen

Genomforscher um Prof. Weißhaar an europaweitem Projekt beteiligt

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). »An apple a day keeps the doctor away« sagt der Volksmund in England. Allemal ist erwiesen, dass der Konsum von Obst und Gemüse das Krankheitsrisiko senkt. Daran, Äpfel noch gesünder zu machen, arbeitet an der Universität Bielefeld der Genomforscher Prof. Dr. Bernd Weißhaar.

Der Biologe richtet sein Augenmerk auf Flavonoide: Wirkstoffe in Pflanzen, die Schutzpigmente oder Fruchtfarbstoffe sind und Farbe und Geschmack vieler Nahrungsmittel beeinflussen. Vermutlich sind sie maßgeblich mitverantwortlich für die Gesundheit: Als »Antioxidantien« (zu denen zum Beispiel auch die Vitamine C und E gehören) schützen sie den Körper vor den sogenannten Freien Radikalen, Abfallprodukten des Stoffwechsels, die Zellen schädigen. »Flavonoide senken das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen«, sagt Weißhaar. Darüber hinaus vermuten Mediziner und Wissenschaftler, dass sie vor Krebs schützen.
Weißhaar und seine Forschungsgruppe sind Teil des FLAVO-Forschungsprojektes, an dem in neun Ländern 14 Partner beteiligt sind. Ihr gemeinsames Ziel ist, die Wirkung von Flavonoiden auf den Menschen zu untersuchen, zu erforschen, wie sie in Äpfeln oder Erdbeeren gebildet werden und letztlich, Methoden zu finden, den Flavonoidgehalt in Früchten - und entsprechend in Marmeladen oder Cidre - zu erhöhen. Darüber hinaus erfragen sie, ob der Verbraucher derart optimierte Nahrungsmittel akzeptiert und wie ihre gesundheitsfördernde Wirkung zu propagieren ist.
Dabei besteht der Bielefelder Part darin zu verstehen, welche molekularen Mechanismen ablaufen, damit die »Proanthocyanidine« (PA), die zu den häufigsten Flavonoiden gehören, gebildet werden. Dabei arbeiten Weißhaar und Dr. Martin Sagasser mit einer Modellpflanze: »Arabidopsis thaliana«, vulgo Ackerschmalwand, ein Kräutlein, das der Gartenbesitzer gerne auszupft.
»Arabidopsis hat den Vorteil, dass wir sein Genom kennen, dass es zudem ein einfaches ist und die Pflanze eine kurze Generationsdauer hat«, erklärt Weißhaar. Er sucht nun nach den Genen, die die Biosynthese von PA auf den Weg bringen. Wenn die Biologen an Arabidopsis die Abläufe verstanden und die Gene identifiziert haben, wollen sie die entsprechende Gensequenz im Apfel aufspüren.
Damit aber nicht genug: »Wenn wir die Gene gefunden haben, wollen wird molekulare Marker entwickeln. Das sind Abweichung in der Gensequenz, mit deren Hilfe sich feststellen lässt, ob im Genom einer Pflanze die Anlage für die Bildung von mehr PA vorhanden ist.« An diesem Punkt sollen dann Züchter ins Spiel kommen. »Sie könnten gezielt die 'markierten' Pflanzen mit anderen kreuzen, um die gewünschten Merkmale - zum Beispiel mehr Flavonoide - zu bekommen.«
Ob ihre Züchtung erfolgreich war, können sie mit Hilfe der Genomforscher schon feststellen, bevor die ersten Äpfel reifen: »Ein kleines Stück Blatt des jungen Sprößlings reicht aus, um zu wissen, ob die Pflanze die gewünschten Gene trägt.« Die Entwicklungszeit neuer Sorten, so Martin Sagasser, würde dadurch deutlich verkürzt.
Wenn die Erwartung der Wissenschaftler eintrifft, werden Äpfel quasi »functional food« und wird der aus ihnen gewonnene Cidre gesünder. Und da die FLAVO-Projektgruppen nicht nur mit Äpfel arbeiten, sondern parallel auch an Erdbeeren und Weintrauben, dürfte deren Genuss - und der von Marmelade oder Wein - dann auch noch gesünder sein. »Was nicht zu ungesunder Lebensweise verführen sollte«, schmunzelt Weißhaar.

Artikel vom 08.12.2006