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Ein Schachmatt der Intuition


Von Curd Paetzke
Bonn (WB). Zum zweiten Mal hat ein Schachweltmeister gegen ein Computerprogramm verloren. Im Mai 1997 wurde Garri Kasparov von »Deep Blue« vom Brett gefegt, jetzt hat »Deep Fritz« den Denksportler Wladimir Kramnik entthront. Seine 2:4-Niederlage hat Zuschauer wie Großmeister gleichermaßen überrascht - und betroffen gemacht.
In der letzten Partie am Dienstag hatte der Russe (31) die schwarzen Steine geführt und die Sizilianische Verteidigung gewählt. Um das Ruder doch noch herumzureißen, spielte Kramnik dabei volles Risiko. »Das ist ihm hoch anzurechnen«, sagte Großmeister Artur Jussopow, einer der Kommentatoren in der Bonner Kunsthalle. »Deep Fritz« bot nach Expertenmeinung im Finale seine bisher beste Leistung und fand »nicht für möglich gehaltene Zugkombinationen«. Im Endspiel ließ der Rechner dem Weltmeister keine Chance mehr, nachdem Kramnik einen Bauern eingebüßt hatte.
Doch auch der Ausgang dieses jüngsten Duells »Mensch gegen Maschine« bedeutet natürlich nicht, dass nun die letzten Tage der Menschheit angebrochen sind und dass die Herrschaft der Roboter begonnen hat. Die Programme sind nämlich von intelligenten Vertretern der Gattung homo sapiens geschrieben worden - und nicht von Maschinenwesen, wie sie im Film »Terminator« auftauchen.
Die Spezialisten aus dem Fritz- Team durften daher nach dem Match zu Recht die Sektkorken knallen lassen: Ihre Leistung verdient höchsten Respekt. Der Held des Tages indes, der mit Prozessoren vollgestopfte Rechner, durfte nicht mitfeiern. Er wurde einfach abgeschaltet. Von Menschen.
Bedenklich ist das Resultat aus einem anderen Grund. Wir erleben unter Umständen das Ende der Intuition im Schachspiel. Das Gefühl, eben genau den »richtigen« Zug zu machen, aus der Erkenntnis heraus, das sich am Ende daraus ein Vorteil entwickelt, lässt sich durch die Rechenkraft starker Computer widerlegen. Das »königliche Spiel« verliert seinen majestätischen Glanz. Ein bisschen sind wir Menschen in dieser Woche »schachmatt« gegangen.

Artikel vom 07.12.2006