07.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Möbel-Branche in der Zange

Klaas: Hohe Lohnzuwächse beenden den Aufschwung -ÊIMM ohne Küche

Von Bernhard Hertlein
Köln (WB). Die Möbelkonjunktur läuft. Um 5,4 Prozent hat der Umsatz der deutschen Hersteller bis Ende September 2006 durchschnittlich zugelegt. Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, hatte zu Jahresbeginn »ganz mutig« nach fünfjähriger Stagnation einen Zuwachs »um gut zwei Prozent« vorausgesagt.
Ein Mitarbeiter in der Produktion des größten europäischen Möbelherstellers Schieder in Schieder-Schwalenberg montiert einen Schrank. Derzeit erlebt die Branche einen Konjunkturfrühling. Foto: dpa

Entsprechend zufrieden ist die Branche mit dem Verlauf des WM-Jahres. Doch Zeit, sich auf einem der schönen neuen Sofas oder Küchenstühle auszuruhen, hat Klaas nicht. »Wir werden von zwei Seiten finanziell in die Zange genommen«, sagte er gestern in Köln. Auf der einen Seite hätten sich viele Rohstoffe immens verteuert. Den größten Sprung machten die Spanplatten, die heute 45 Prozent mehr kosten als vor zwei Jahren: »Und der Anstieg ist wohl noch keineswegs zu Ende.«
Auf der anderen Seite drohe den Herstellern von der IG Metall zusätzliches Unheil. Die Großgewerkschaft habe neben einer Forderung von fünf bis sieben Prozent bereits angekündigt, es solle in diesem Jahr für die Möbelbranche keinen Abschlag mehr geben. Angesichts einer durchschnittlichen Nettoumsatzrendite von unter einem Prozent und kritischen Kunden, denen der Handel sicher nicht mehr als die von der Politik vorgegebenen drei Prozentpunkte bei der Mehrwertsteuer abnehmen könne, bedeute dies das voraussichtliche Ende des kurzen Möbelfrühlings. Klaas: »Wenn sich die Gewerkschaft durchsetzt, haben wir 2008 nichts mehr zu verteilen.«
Der Verbandssprecher kritisierte in diesem Zusammenhang Politiker, die gefordert haben, die Arbeitnehmer sollten an der guten Entwicklung ihrer Betriebe beteiligt werden: »Tarifverhandlungen sind nicht Sache von Frau Merkel und Herrn Beck.« Einen »vollen Schluck aus der Pulle« könne es nicht geben, weil die Pulle in vielen Firmen leer sei. Dort, wo Unternehmen eine Sonderkonjunktur erlebten, sollten die Beschäftigten im Rahmen von Sonderzahlungen am Gewinn beteiligt werden. Flexible Tarifverträge böten dafür die Grundlage.
Probleme mit den Tarifverträgen hat auch die andere Seite der Branche, der deutsche Möbelhandel. Angesichts einer Umsatzrendite »zwischen null und zwei Prozent« gibt es laut Verbandssprecher Thomas Grothkopp ebenfalls keinen Verteilungsspielraum. Der Möbelhandel will die nächsten Verhandlungen nutzen, um Abend- und Wochenendzuschläge zu kürzen. Angesichts der neuen Freiheit bei den Ladenöffnungszeiten seien Zuschläge schon ab 18 Uhr nicht mehr tragbar.
Seit einiger Zeit ist klar, dass die Internationale Möbelmesse (IMM) in Köln am 15. Januar 2007 ohne die Küchenhersteller beginnen wird. Nach den meisten inländischen Küchenproduzenten haben inzwischen auch die ausländischen Anbieter und die Hausgeräte-Hersteller abgesagt. Trotzdem gibt Wolfgang Kranz, der Sprecher der Köln-Messe, nicht auf. Die fortdauernden Gespräche mit der Branche stimmten ihn optimistisch. Eine in die IMM integrierte »Cuisinale« sei in jedem Fall einer eigenständigen Küchenmesse vorzuziehen, da die Vertriebswege zum großen Teil identisch seien. Diese Auffassung wird auch von Klaas gestützt: »Eine eigenständige Küchenmesse wäre so etwas wie ein Treppenwitz der Geschichte.«
Der Möbelhandel rechnet 2006 mit einem Zuwachs von 2,7 Prozent und liegt damit sogar über dem Zuwachs von 1,4 Prozent, den die Industrie in Deutschland erzielte. Die großen Erfolge der Möbelhersteller - insbesondere Küchen, Büromöbel und Ladenbaueinrichtungen -Êrühren auch 2006 vom Export. Der Handel zählt knapp 10 000 Betriebe mit 101 800 Beschäftigten. Die sechs größten Unternehmen vereinigen 15 Prozent des Umsatzes auf sich.
Die 1087 Möbelhersteller zählen 101 795 (104 694) Beschäftigte. Ob die Zahl 2007 unter die 100 000er Grenze rutscht, hängt Klaas zufolge am Ergebnis der Tarifverhandlungen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 07.12.2006