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Literatur auf dem Spielbrett
»Die Säulen der Erde« nach Ken Folletts Bestseller hat viele VorläuferÊ
Dan Browns Weltbestseller »Da Vinci Code«, deutsch erschienen unter dem Titel »Das Sakrileg«, nahm noch den Umweg über das Kino. »Die Säulen der Erde« von Ken Follett kommt direkt vom Buch aufs Spielbrett.
Die Autoren von Spielregeln lassen sich in jüngster Zeit immer öfter von Autoren berühmter Romane und sogar Sachbücher inspirieren. Ein Beispiel für die zweite Kategorie ist Bastian Sicks virtuose Sprachanalyse »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«. Ein Autorentrio machte daraus im Auftrag des Kosmos-Verlags ein Brettspiel -Êrutschig wie Glatteis. Die Fragen sind so knifflig, dass früher oder später jeder mal einen Fehler begeht. Das Spiel ist für zwei bis fünf Spieler ab 12 Jahre; Preis: knapp 21 Euro.
Sind Micky Maus und seine Freunde ein literarisches Thema? Dann sind Disney-Memory-, -Monopoly, -Trivial Pursuit und -Mensch-ärgere-dich-nicht auch Spiele, die auf Literatur basieren. Sehr viel anspruchsvoller ist allerdings »Sophies Welt« nach dem Roman von Jostein Gaarder. Auf den Spuren eines Mädchens erschließt auch das Spiel die Welt der Philosophie von der Antike bis in die neue Zeit. Seit acht Jahren auf dem Markt verführt es 2 bis 6 Spieler ab 12 Jahren zum Diskutieren über grundlegende Fragen von Sein und Werden.
Einmal auf den Geschmack gekommen hat der Kosmos-Verlag einige Zeit später mit Jules Vernes »In 80 Tagen um die Welt« nachgelegt. Wie im Roman reisen die Spieler von London nach Paris und weiter nach Suez und Bombay. Schnelligkeit mit den Verkehrsmitteln von Jules Vernes Zeit ist keine Hexerei - und auch nicht nur pures Würfelglück.
Mittelerde zieht die Brettspieler besonders an. Gleich mehrere Verlage haben zeitgleich mit der Kinofilm-Trilogie »Herr der Ringe« mehr oder weniger gelungene Brettspiele auf den Markt gebracht.
Der schon erwähnte »Da Vinci Code«Ê(Winning Moves, für 2 bis 6 Spieler ab 12 Jahre) ist in diesem Jahr ebenfalls anlässlich der Kinopremiere erschienen. Gefragt sind bei diesem Spiel eher logisches und mathematisches Denkvermögen als Phantasie oder gar Poesie.
Die Vorlage für das neueste »Literaturspiel« ist besonders umfangreich: Ken Folletts großer Roman »Die Säulen der Erde« umfasst mehr als 1000 Seiten. Im mittelalterlichen England des 12. Jahrhunderts träumt Prior Philip vom Bau der weltweit schönsten Kathedrale. Zwei bis vier Spieler schlüpfen in die Rolle von Architekten, die Arbeiter und Handwerker für die Mithilfe beim Bau der Kathedrale gewinnen sollen. Doch das allein genügt nicht. Kluge Baumeister sichern sich auch die Unterstützung des Königs etwa in der Frage der Steuerbefreiung oder die des Bischofs, der einen Baustoff verschenken oder als oberster Geistlicher einen schweren Schicksalsschlag verhindern kann. Ähnlich wie für den Roman muss man sich auch für das Strategiespiel Zeit nehmen. Eineinhalb bis zwei Stunden kann es schon dauern, bis der Sieger ermittelt ist. Langweilig wird es nicht. »Die Säulen der Erde« ist die knapp 32 Euro, die das Spiel kostet, auch wegen seiner schönen Aufmachung wirklich wert.
Besonders lang wird die Reihe der Literaturspiele, wenn man Kinderbücher einbezieht: »Jim Knopf«, »Das kleine Gespenst«, »Der kleine Prinz«, »Räuber Hotzenplotz«, »Das Sams«: Sie alle stehen als Bücher und als Spiele in den Kinderzimmern.
Da ist es nur gerecht, wenn dann und wann der Weg auch in entgegengesetzter Richtung gegangen wird und ein Spiel den Stoff für einen Roman abgibt. Geschafft haben dieses Literaturstück zuletzt die »Siedler von Catan«Ê(Rebecca Gable). Bernhard Hertlein

Artikel vom 23.12.2006