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Horst Köhler greift ein

Übereifrige Wellenreiter


Ein schlichter »Grußaugust« ist Bundespräsident Horst Köhler wahrlich nicht. Wer 2004 geglaubt hatte, dass sich Union und FDP auf einen besonders unpolitischen Kandidaten für das Bundespräsidialamt verständigt hätten, der sieht sich getäuscht. Das gilt für Angela Merkel und Guido Westerwelle, die die Personalie damals aushandelten, ganz besonders.
Diesmal hat das Staatsoberhaupt ein Gesetz platzen lassen, das vor dem Hintergrund des Gammelfleischskandals zum Schutz der Verbraucher erlassen wurde. Auf dem Höhepunkt eines sich gegenseitig überbietenden Gesetzesaktionismus' wurden Länderzuständigkeiten kurzerhand außer Acht gelassen, dafür gab es jetzt die Quittung.
Das Staatsoberhaupt handelt streng formal nach der Frage: Wurde die Verfassung beachtet oder nicht? Dennoch spricht mehr aus der Einzelentscheidung. Viele Vorschriften und Auflagen entstehen hierzulande aus tagespolitischen Aufgeregtheiten heraus. Die Übererfüllung eines sich selbst erteilten Fürsorgeauftrags verleitet Politiker dazu, möglichst lange auf künstlich geschürten Erregungswellen zu reiten. Das Ergebnis zeigt nicht selten schlicht handwerkliche Fehler.
Köhler erweist sich mit dem zweiten - möglicherwiese nicht letzten - Griff ins Räderwerk einer gnadenlosen Gesetzesmaschine als furchtloser Wächter. Der unpolitische Kandidat könnte Deutschlands politischster Präsident seit Theodor Heuss werden. Reinhard Brockmann

Artikel vom 09.12.2006