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Dem »Faustrecht« die rote Karte

Paderborner Polizei will mit Präventivmaßnahmen Gewalt an Schulen eindämmen

Von Hubertus Hartmann (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). Die Amokläufe von Erfurt und Emsdetten haben die Republik erschüttert und das Thema Gewalt an Schulen in den Blickpunkt gerückt. In Erfurt und Emsdetten sind Aggressionen eskaliert. Dass es so weit kommt, will die Polizei im Kreis Paderborn durch gezielte Prävention im Vorfeld verhindern.

NRW-Innenminister Ingo Wolf hat in der vergangenen Woche die Polizeibehörden des Landes angewiesen, zu allen Schulen Kontakte aufzubauen, »um entstehende Gewalttaten frühzeitig zu erkennen«.
Im Kreis Paderborn längst gängige Praxis. »Wir halten seit Jahren engen Kontakt, unsere Bezirksbeamten sind in irgendeiner Weise stets an den Schulen ihres Bezirks präsent«, betont Paderborns Polizeisprecher Michael Biermann. Er erkennt zwar eine zunehmende Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen, Strafanzeigen aus dem schulischen Bereich seien allerdings eher selten. Wenngleich es auch auf den Schulhöfen im Kreis Paderborn immer mal wieder zu Fällen von Körperverletzung oder Erpressung komme. In der Vergangenheit seien diese Fälle in keiner eigenen Statistik erfasst worden. »Zurzeit sind wir jedoch dabei, entsprechende Delikte explizit auszuwerten«, sagt Biermann.
Auch die vorbeugende Arbeit soll verstärkt werden. In nächster Zukunft werden die Leiter aller Schulen zu Konferenzen eingeladen. Lehrer, Eltern und Schüler erhalten Hinweise zur Früherkennung und Verhinderung von Gewalt und zum Umgang mit Gewalt. Das vereinbarten Landrat Manfred Müller und Schulamtsdirektor Jürgen Scherhans in einer Fachkonferenz mit Verantwortlichen der Polizei und der Kreisverwaltung. »Wir wollen ein Bewusstsein und noch mehr Sensibilität schaffen, um potenzielle Gewalttäter früh erkennen und Maßnahmen einleiten zu können«, erläutert Müller.
Schon heute ist die Polizei in viele Schulen des Kreises regelmäßig zu Gast. Polizisten informieren über Vorbeugeprogramme, Verkehrssicherheit und geben Tipps zur Kriminalitätsverhütung, halten Schul-Sprechstunden ab oder sind einfach nur auf dem Schulgelände ansprechbar. »Sehr häufig werden unsere Beamten sowohl von Lehrern als auch von Schülern um Rat gefragt oder auch schon mal diskret auf ganz konkrete Fälle hingewiesen«, weiß Biermann. »Vertrauen spielt da eine ganz große Rolle. Es muss ja nicht aus jedem Gespräch gleich ein offizieller Vorgang werden.«
Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit in der Gewaltprävention ist beispielsweise der Anti-Gewalt-Unterricht von Kriminalbeamten in der Sekundarstufe I. In diesem Jahr wurde in der Schulleiterkonferenz das Anti-Bullying-Programm (deutsch: Mobbing, Schikane, Terror) vorgestellt. Eine Strategie, die an weiterführenden Schulen auf eine friedliche Problemlösung zwischen Täter und Opfer unter Einbindung der Eltern setzt. Drei Schulen haben das Projekt im Kreis Paderborn bereits umgesetzt. An fünf weiteren werden Vorbereitungen getroffen.
Die Einführung eines neuen Präventionsprojekts, das an Kindergärten und Grundschulen unter dem Namen »Faustlos« zum Einsatz kommen soll, ist bereits im Januar geplant.
Aufschlüsse über den Umfang von Gewalt an Schulen, deren Auswirkungen und mögliche Handlungskonzepte soll eine Untersuchung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Polizei, in Bielefeld erbringen. Polizeistudenten sind dafgür im Schulzentrum Schloß Neuhaus aktiv.
Landrat Müller macht bei allen Bemühungen aber auch deutlich: »Behörden, Schulen und Hilfeeinrichtungen können die Erziehungsverantwortung der Eltern nicht ersetzen«.

Artikel vom 07.12.2006