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Ende des Handy-Booms

BenQ-Misere verhagelt Balda die Bilanz

Nie zuvor klingelten in Deutschland so viele Handys wie im Jahr 2006. Ob im Auto, im Bus, auf der Straße oder im Restaurant - Mobiltelefone bestimmen unseren Alltag. 32 Millionen neue Handys gingen allein in diesem Jahr über den Ladentisch. Die Boomjahre sind allerdings vorbei. Zumindest in Europa.


Zwei Unternehmen spürten das bitter: Siemens-BenQ und der Handyschalen-Hersteller Balda aus Bad Oeynhausen.
Die Nachricht schockte ganz Deutschland: Ein Jahr nach der Übernahme der verlustreichen Handysparte des Weltkonzerns Siemens durch den taiwanesischen Konzern BenQ musste BenQ Mobile Deutschland Insolvenz anmelden. Grund: Siemens-BenQ-Handys verkauften sich schlecht, der Marktanteil schrumpfte auf läppische drei Prozent zusammen.
Rechnerisch machte der neue Eigentümer pro Tag mehr als zwei Millionen Euro Verlust. Im September stellte die Konzernzentrale in Taiwan die Zahlungen an die Tochter in Deutschland ein. Am 29. September musste BenQ Deutschland Insolvenz anmelden. Von den 3000 Beschäftigten an den ehemaligen Siemens-Standorten München, Bocholt und Kamp-Lintfort wurden 1900 arbeitslos, allein 1000 in Kamp-Lintfort.
Alteigentümer Siemens musste sich heftige Kritik gefallen lassen. Der Konzern habe seine Mitarbeiter im Stich gelassen, als er die Handysparte an BenQ zu einem symbolischen Preis abtrat, wetterten Gewerkschaftsvertreter. Sogar von einem »abgekarterten Spiel« zwischen Siemens und BenQ war die Rede. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, er sei von der unternehmerischen Leistung bei Siemens enttäuscht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte in einem Telefonat mit Siemens-Vorstand Klaus Kleinfeld an die Verantwortung von Deutschlands größtem Elektronikkonzern für seine ehemaligen Beschäftigten. Siemens richtete darauf einen 35 Millionen Euro schweren Fonds für arbeitslose BenQ-Beschäftigte ein.
Die Produktion bei BenQ Deutschland lief zunächst weiter. »Innerhalb von drei Monaten muss das Unternehmen aber profitabel sein«, hatte der vorläufige Insolvenzverwalter Martin Prager damals gesagt. Doch die Umsätze brachen weiter weg. Eine mögliche Schließung rückt immer näher. Wenn bis zum Jahreswechsel keine Einigung mit einem Investor zu Stande komme, müsse das Unternehmen dicht gemacht werden, sagte Prager Mitte Dezember. Die Chancen auf eine Rettung liegen nach seiner Einschätzung bei maximal 50 Prozent.
Ähnlich hohe Wellen schlug in einem stürmischen Herbst der ostwestfälische Handyausrüster Balda. Die BenQ-Pleite hatte dem Bad Oeynhausener Unternehmen die Jahresprognose versalzen. Außerdem spürt Balda die Marktsättigung in Europa. Statt eines Gewinns musste der börsennotierte Konzern im dritten Quartal einen operativen Verlust in Höhe von zehn bis 15 Millionen Euro melden. Folge: Die Kurse gingen in den Keller.
Die viel leidvollere      Quittung erhielten jedoch - wie oft - die Beschäftigten. Balda kündigte an, 1000 seiner 1600 Stellen abzubauen und drei Werke zu verkaufen: Balda-Heinze in Herford, Oberlungwitz in Sachsen und Albea in Seelbach. Das Werk in Seelbach hat vor Weihnachten ein Investor gekauft. Am Standort Bad Oeynhausen sollen 250 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut werden.
Für weitere Unruhe sorgten Finanzinvestoren, die vielfach abwertend als »Heuschrecken« bezeichnet werden. Der Fonds Audley Capital, der knapp über fünf Prozent der Balda-Aktien hält, will den Konzern angeblich übernehmen. Vorstandschef Joachim Gut hat die Offerte wiederholt heruntergespielt. »Uns liegt noch kein konkretes Angebot vor«, sagte er jüngst im Interview mit dieser Zeitung. »Bislang traf hier nur ein Schreiben ein, in dem Audley von einem möglichen Übernahmeangebot berichtet und eine Preisspanne von sieben bis acht Euro in Aussicht stellt«, sagte Gut. Dies sei aber angesichts eines Umsatzziels von 650 bis 680 Millionen Euro, des geplanten Gewinns vor Steuern von 50 bis 55 Millionen Euro und eines zu erwartenden zweistelligen Aktienkurses in 2007 für ihn, sagte Gut, kein ernstzunehmendes Angebot.


Ein Beitrag von
Edgar Feld

Artikel vom 30.12.2006