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Chavez zeigt Bush die Faust: Südamerika driftet nach links

Venezuela nach Präsidentenwahl weiter auf dem Weg in den Sozialismus

Von Christian Oliver
Caracas (Reuters). An wenigen Staats- und Regierungschefs scheiden sich die Geister so sehr wie am venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez - national und international. Der 52-Jährige hat sich mit einem deutlichen Wahlsieg eine weitere Amtszeit gesichert und kann nun praktisch unangefochten seine sozialistische Revolution weiterführen.

In den vergangenen acht Jahren verstaatlichte er Land und private Unternehmen, brachte die Öl-Ressourcen unter nationale Kontrolle und belegte ausländische Unternehmen mit höheren Steuern für die Ausbeutung der venezolanischen Rohstoffe. Chavez' Anhänger betrachten den charismatischen Linken als einen Anwalt der Dritten Welt gegen die Übermacht der USA. Sie preisen ihn dafür, dass er die venezolanischen Öleinnahmen in Kliniken und Schulen für die lange vernachlässigte Mehrheit der Armen fließen lasse. Seine Gegner werfen ihm vor, dass er sich immer mehr zu einem Diktator aufschwinge.
Chavez nutze das Mandat des Volkes dafür, einen Ein-Parteien-Staat nach dem Vorbild Kubas zu schaffen, in dem jeder Soldat und jeder Ölarbeiter sich absolut loyal zu der von ihm ausgerufenen sozialistischen Revolution verhalten muss. Chavez achtet als Politiker auf einen hohen Unterhaltungswert. Er mischt in seinen Marathon-Reden Politik und die Erfolge der Ölindustrie mit Rezepten für Hot-Dog-Soßen und Baseball-Statistiken. In einem besonders spektakulären Auftritt gab er sich einmal als Schiedsrichter eines Fußballspiels aus und feuerte sieben Manager des staatlichen Ölkonzerns PDVSA per Pfiff aus der Schiedsrichter-Pfeife.
Viele Menschen lieben seine hemdsärmelige Art und seine einfache, direkte Sprache. Der Sohn eines Lehrers aus dem von der Viehzucht geprägten westvenezolanischen Staat Barinas entwickelte sich in seiner Armeezeit von einem ehrgeizigen Baseball-Pitcher zu einem noch ehrgeizigeren Fallschirmjäger. Vor zwölf Jahren unternahm er schließlich seinen ersten Versuch, die Geschicke seines Heimatlandes grundlegend in eine andere Richtung zu lenken. Der Putschversuch 1992 scheiterte zwar, und Chavez wanderte für zwei Jahre ins Gefängnis.
Danach erreichte er aber innerhalb von vier Jahren, was er sich vorgenommen hatte: 1998 eroberte er das Präsidentenamt und verlieh damit dem Linksrutsch des Landes neuen Schwung. Dabei sieht er sich in den Fußstapfen lateinamerikanischer Revolutionäre wie Simon Bolivar und Fidel Castro.
Allein mit der venezolanischen Bühne gibt sich der Politiker jedoch nicht zufrieden: Chavez zieht gegen den »Teufel« zu Felde, als dessen konkrete Ausgeburt er US-Präsident George W. Bush beschimpft. Für seine »multipolare Allianz« gegen die USA bildete er ein radikales Triumvirat mit Castro und seinem bolivianischen Kollegen Evo Morales.
Chavez träumt davon, der Bannerträger einer erneuerten revolutionären Linken zu sein. Auf dem Weg zu diesem Ziel häufen sich aber in jüngster Zeit die Rückschläge: Seine Einmischungsversuche in Mexiko und Peru erwiesen sich für die dortigen linken Kandidaten als kontraproduktiv. Auch scheiterte Venezuelas Bewerbung um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Chavez betrachtete die Kandidatur seines Landes als persönlichen Popularitätstest zwischen sich selbst und Bush.

Artikel vom 05.12.2006