08.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mehr Raum - auch
für mehr Mut und Kraft
Bielefelder Kinder-Epilepsieklinik Kidron ist jetzt in neuen vier Wänden zu Hause
Bielefeld-Bethel (WB). Wenn von medizinischem Fortschritt die Rede ist, meint man zumeist neue Medikamente oder technische Errungenschaften. Auch die Kinder-Epilepsie-Klinik Kidron in Bethel hat Ende August einen großen Schritt gemacht. Allerdings in anderer Hinsicht, denn die medizinische Versorgung dort ist schon Spitze in Deutschland.
Bevor Anfang Dezember das fast 100 Jahre alte Klinikgebäude abgerissen wurde, haben Belegschaft und Patienten den Neubau nebenan bezogen. Die wichtigste Neuerung der Klinik: In Kidron gibt es nun endlich genügend Platz, um auch den Eltern der kleinen Patienten vorübergehend ein Dach über dem Kopf zu bieten. Neben dem Rooming-in stehen jetzt zusätzlich fünf Zimmer für Übernachtungen zur Verfügung. Übernachtungsmöglichkeiten gab es zwar auch schon in der Vergangenheit, jedoch eher beengt und längst nicht so komfortabel, wie es in dem Klinikneubau der Fall ist.
Mehr Platz, das heißt auch mehr Raum, damit Eltern ihren erkrankten Kindern Mut und Kraft geben können. »Wir brauchen die Mütter und Väter hier auch deshalb, weil sie den Kindern Sicherheit geben und
für uns manchmal wie Dolmetscher die Bedürfnisse der Kleinen übersetzen. Das trifft insbesondere auf schwerst- und mehrfach behinderte Kinder zu«, erklärt Dr. Elisabeth Korn-Merker, leitende Ärztin in Kidron.
Die Kinder-Epilepsieklinik hat sich die ganzheitliche Behandlung epilepsiekranker Kinder zur zentralen Aufgabe gemacht. »Unsere Patienten kommen aus ganz Deutschland und auch aus dem benachbarten Ausland. Einige von ihnen sind erst wenige Monate alt«, sagt Dr. Korn-Merker. Meist werden sie von anderen Kliniken oder niedergelassenen Kinderärzten geschickt, die bei derart therapieresistenten Epilepsien keinen Rat mehr wissen. Manchmal kommen die Eltern aber auch auf eigenen Wunsch, um eine zweite ärztliche Meinung einzuholen.
Mit einer sorgfältigen Diagnostik finden die Spezialisten heraus, um welche Form der Epilepsie es sich handelt und wie die Krankheit am besten behandelt werden kann. Dr. Elisabeth Korn-Merker: »Etwa 30 Prozent der Kinder verlassen unsere Klinik anfallsfrei, weil wir eine optimale medikamentöse Therapie gefunden haben. Eine guter Erfolg bei Ýhoffnungslosen FällenÜ. Anderen hilft auch ein epilepsiechirurgischer Eingriff.« Das Epilepsie-Zentrum in Bethel ist darin europaweit führend.
Während die Kinder in früheren Jahren etwa 30 Tage in der Klinik blieben, liegt die durchschnittliche Dauer eines Aufenthalts in Kidron heute bei knapp 19 Tagen. Kinder, die aufgrund von Klinikaufenthalten innerhalb eines Schuljahres länger als vier Wochen nicht am Unterricht teilnehmen können, besuchen in Kidron die hauseigene Dothan-Schule, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Dem Behandlungsteam gehören nicht nur erfahrene Kinderneurologen an: Psychologen, Sozialarbeiter und Pädagogen tun für die Patienten ebenso engagiert ihren Dienst wie Krankengymnasten, Ergotherapeuten und Kinderkrankenschwestern. »Das kindgerechte Umfeld trägt wesentlich auch zur Genesung bei«, weiß Dr. Elisabeth Korn-Merker. So ist es fast selbstverständlich, dass zur Klinik ein schöner Garten gehört, in dem die kleinen, aber auch die älteren Kinder spielen, schaukeln und ihren Spaß auf einem großen Trampolin haben können.
Einzig die Flora rund um den Neubau lässt noch auf sich warten. Das ist der einzige Wermutstropfen auch für die leitende Ärztin: »Bis wir einen so wundervollen Garten wie früher haben, wird es wohl noch einige Jahre dauern.«
Daniela Rahn

Artikel vom 08.12.2006