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Theodor Windhorst
Ärztekammer-Präsident

»Das Maß ist voll. Das geplante Gesetz muss vom Tisch. Basta.«

Leitartikel
Gesundheitsreform

Eine bittere
Pille ohne
Heilung


Von Ernst-Wilhelm Pape
Klagen auf hohem Niveau oder berechtigter Protest? Diese Frage im Hinblick auf die geplante Gesundheitsreform ist ganz eindeutig zu beantworten. Die Proteste sind berechtigt, auch wenn die Politik die Leistungserbringer, vor allem die Ärzte, immer wieder als enorme Kostenverursacher und somit als Buhmänner abzustempeln versucht.
Bleiben wir bei den Ärzten als Beispiel für die Berufe im Gesundheitswesen. Während die Politik immer noch verkündet, dass es keine Einschränkungen bei der Behandlung in Praxen sowie Kliniken und keine neuen finanziellen Belastungen der Versicherten geben werde, sprechen die Akteure im Gesundheitswesen von einer glatten Lüge, wie gestern der Präsident der Krankenhaus-Gesellschaft NRW, Johannes Kramer aus Bielefeld. Kramer kann belegen, welche Einsparungen er schon am Städtischen Klinikum Bielefeld vornehmen musste und welche er noch vor sich hat. Dass auch Patienten von diesen Einsparungen betroffen sind, liegt auf der Hand.
Ärzte haben bei zahlreichen Kostendämpfungsgesetzen immer wieder gezuckt, haben aber kaum aufgemuckt oder gar lautstark protestiert. Der Mangel, die bittere Pille, wurde geschluckt, auch wenn es später immer noch weh tat.
Großes Vertrauen hat der Bürger in seinen Hausarzt und nicht in den Politiker, der ihn in den Parlamenten vertritt. Somit ist es nur folgerichtig, wenn es jetzt nicht nur beim Verschreiben von Medikamenten heißt: »Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker.« Über die Nebenwirkungen der Gesundheitsreform wird jetzt ungefragt und ungeschminkt in Arztpraxen und Apotheken aufgeklärt.
»Das Maß ist voll, das neue Gesetz muss vom Tisch. Basta.« So formulierte es gestern in Bielefeld der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst. Im Entwurf stehe auf 582 Seiten »nur Mist«. Der Patient komme überhaupt nicht vor.
Damit die Kassenpatienten in Zukunft weiter wie bisher behandelt werden können, planen viele niedergelassene Ärzte die Rückgabe ihrer Kassenzulassung. Im nächsten Jahr sollen es bereits 30 000 sein.
Ist aufgrund der sogenannten kollektiven Rückgabe der Kassenzulassung in einzelnen Regionen oder Berufsgruppen eine flächendeckende Versorgung nicht mehr gewährleistet, müssen die zuständigen Gesundheitsbehörden den »Notstand« ausrufen. Damit alle Patienten auch weiter behandelt können, erhalten auch Ärzte ohne Kassenverträge die Genehmigung, Kassenpatienten zu behandeln.
Abrechnen dürfen sie nach der Gebührenordnung für Privatpatienten. Zwar nicht den möglichen 2,3fachen Satz, sondern nur den einfachen Satz. Und dieser liegt, man höre und staune, noch höher als der Honorarsatz der Kassengebührenordnung. Somit stehen sich die Ärzte bei einem Systemausstieg finanziell eigentlich besser als bisher. Es müssen nur genügend Ärzte diesen Schritt gehen. Auch darüber sollte die Politik einmal länger nachdenken.

Artikel vom 05.12.2006