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Kassenschlager mit vielen Stars

Martin Scorseses brillantes Mafiadrama »The Departed« schlägt alle Rekorde


So einen Erfolg hat Hollywoods Altmeister Martin Scorsese noch nie gehabt: Sein neues Gangsterdrama »The Departed - Unter Feinden« bescherte dem 64-jährigen Regisseur in den USA mit fast 117 Millionen Dollar das mit Abstand beste Kassenergebnis seiner Karriere. Der Thriller mit Leonardo DiCaprio, Jack Nicholson und Matt Damon dürfte dem bereits fünfmal nominierten Amerikaner endlich den Regie-»Oscar« einbringen, prophezeien US-Kritiker.
»The Departed« ist ein cineastisches Feuerwerk mit atemberaubendem Tempo, brillanten Darstellungen ungewöhnlich vieler großer Stars, selbst in Nebenrollen, knallharten Dialogen und der großartigen Kameraführung des Deutschen Martin Ballhaus. Der jüngste Scorsese ist nach einhelliger Kritikermeinung der beste Scorsese seit »Casino« (1995) und ein würdiger Nachfolger von »Good Fellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia« (1990), seinem letzten Genrefilm. Trotz der Länge von zweieinhalb Stunde lässt die Story aus Bostons Mafiamilieu und aus dem Hauptquartier der Bostoner Polizei keinen Moment der Entspannung zu. Immer wieder überrascht Scorsese mit einer neuen Wende des dramatischen Geschehens, treibt den Puls der Kinogänger mittels grausamer Gewaltszenen hoch und schweift dann kurz in Betrachtungen über moralische Grauzonen ab.
Jack Nicholson, der erstmals in seiner Laufbahn mit Scorsese zusammenarbeitet, spielt den ruchlosen Mafiagangster Frank Costello, der von dem Polizeiagenten Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) bespitzelt wird. Umgekehrt hat auch Costello eine »Ratte«, wie Spitzel im US-Jargon heißen, ins Polizeikommissariat eingeschleust: Costigans Kollegen, den jungen Detektiv Colin Sullivan (Matt Damon). Wer wird den anderen zuerst entlarven? Nur soviel: Am Ende hat jede Seite ihr Spiel zu weit getrieben.
Außer Nicholson, DiCaprio, der in der Rolle des in die Ecke Getriebenen eine schauspielerische Glanzleistung erbringt, und Damon engagierte Scorsese Alec Baldwin, Martin Sheen und einen wunderbar unflätigen Mark Wahlberg für die Polizistenrollen. Lediglich bei der Wahl von Sullivans Frau, einer Psychologin, entschied er sich für eine weniger bekannte Schauspielerin: für Vera Farmiga (»Down to the Bone«), mit der er aber ebenfalls voll ins Schwarze traf.
Über DiCaprio, mit dem Scorsese zum dritten Mal einen Film machte, sagte er in einem Interview der Fachzeitschrift »Entertainment Weekly«: »Leos Gesicht ist ein Schauplatz moralischer Konflikte. Der Schmerz leuchtet aus seinen Augen. Er ist wie Montgomery Clift oder Paul Newman.« Der dem Milchbubi-Alter endgültig entwachsene DiCaprio spielte zuletzt in Scorseses »Aviator« dden Milliardär Howard Hughes.
Jack Nicholson wiederum hatte zunächst abgewinkt. Dann aber kam das Angebot, seine Dialoge um- oder sogar neu schreiben zu dürfen. Das wirkte.

Artikel vom 07.12.2006