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Stanislaw Jerzy Lec,
polnischer Autor

»Wer das Recht mit Füßen tritt, steht selten fest auf den Beinen.«

Leitartikel
Freikauf aus der Portokasse

Gott lästern oder ganz abschaffen?


Von Rolf Dressler
Vorsätzlicher Rechtsbruch war unter Menschen sogar schon gang und gäbe, noch bevor richtunggebende Rechtsordnungen und Unrechtstatbestände überhaupt in Paragraphenwerke gefasst wurden. Und selbst seit es sie schwarz auf weiß gedruckt in wahren Unmengen von Papier gibt, können grundnormal denkende Bürger beinahe täglich nur den Kopf schütteln angesichts unbegreiflich milder oder aus anderen Gründen gänzlich unfassbarer Urteile.
Gerade auch deutsche Richter und Gerichte tun sich dabei leider nicht selten unrühmlich hervor, unterziehen das Rechts- und Unrechtsempfinden immer neuen Wechselbädern. Im Volk verbreitet sich zusehends das Gefühl der Ohnmacht.
Gesetzgeber und Rechtsprechung, sprich: »die da oben«, agieren ja doch, wie sie wollen - dieses Gefühl verspüren wir Bürger, diejenigen also, die Sonntagsredner gern als den »eigentlichen Souverän« des Gemeinwesens preisen.
Nun muss man weder Freund noch Gegner oder Neider des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann sein. Auch mag die Karawane der Betreffenden und Betroffenen am Ende locker weiterziehen, obwohl die Hunde noch einmal laut und vernehmlich um Gerechtigkeit in dieser Sache gebellt haben. Gleichwohl verdient es allemal Beachtung, dass ein Hamburger Anwälte-Konsortium Strafanzeige wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung stellen will sowohl gegen Richter des Landgerichts Düsseldorf als auch gegen die Ankläger und die sechs Angeklagten im Mannesmann/Vodafone-Prozess, an der Spitze die Manager Josef Ackermann und Klaus Esser.
Ein Wiederaufnahmeverfahren könnte den Nachweis für das er- bringen, was sich als höchst un- guter Eindruck aufdrängt: dass Beschuldigte sich hierzulande mit richterlicher Billigung und Beteiligung sogar von erwiesener schwerer Untreue bzw. von Beihilfe dazu freikaufen können - und trotzdem Ehrenmänner bleiben. Jedenfalls sofern sie sich die teu- ersten und gewieftesten Strafverteidiger leisten können und selbst saftige Abgeltungsbeträge in Millionenhöhe lässig aus der Privat-Portokasse zu begleichen vermögen.
Man muss weder Antikapitalist noch Fatalist sein, um über diesen und manch anderen Sündenfall im Umfeld der Justitia ins Grübeln zu geraten. Denn unsere deutsche Rechtsfindung sichert zum Beispiel sogar auch überführten Terror-Kriminellen noch den Bezug von Sozialhilfe, setzt selbst Kinderschänder, Vergewaltiger, Totschläger und Mörder (»wegen guter Führung«) vorzeitig auf freien Fuß, obwohl nachweislich jeder fünfte Sexualverbrecher häufig schon binnen kurzem rückfällig wird. Undsofort.
Offenbar im Rückgriff auf alte, unselige Alternativen-Träume tönte der Grünen-Politiker Volker Beck soeben wieder einmal, der Gotteslästerungs-Paragraph 166 des Strafgesetzbuches gehöre »auf den Misthaufen der Rechtsgeschichte«. Ideologen-Klartext.
Aber genau das ist seit jeher das Rechtsbrecher-Kernproblem: Gottesferne und Gottlosigkeit.

Artikel vom 04.12.2006