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Ehepaar rettet
ertrinkendes
Kind aus Fluss

Minister zeichnet Gütersloher aus

Von Christian Althoff
Gütersloh (WB). »Das hätte doch jeder getan. . .«, sagt Horst Flicker (69) bescheiden. Zusammen mit seiner Frau Lieselotte (67) hatte er 2005 unter Lebensgefahr ein Kind gerettet. Am Samstag wurde das Gütersloher Ehepaar dafür von NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) ausgezeichnet.
NRW-Innenminister Ingo Wolf hat Horst und Lieselotte Flicker ausgezeichnet.

Der 24. Januar 2005 war ein eiskalter Wintertag mit Lufttemperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dick angezogen hatten Horst und Lieselotte Flicker einen Spaziergang an der Dalke unternommen, die durch Gütersloh fließt. »Plötzlich sahen wir von weitem, wie ein kleines Mädchen ans Wasser lief, von der Strömung erfasst und mitgerissen wurde«, erinnert sich der frühere Möbeltischler. In der Nähe der Unglücksstelle stand noch ein kleiner Junge am Ufer, der offenbar in die Fluten steigen wollte, um das Mädchen zu retten. Später stellte sich heraus, dass die sechsjährige Süleya und der vierjährige Connor aus einem nahegelegenen Kindergarten ausgebüxt waren.
Während Lieselotte Flicker zu einer Wohnsiedlung lief, um die Feuerwehr zu alarmieren, schappte sich ihr Mann einen dicken Ast. Er rief dem Jungen zu, am Ufer zu bleiben, und rannte am Fluss entlang, dem Mädchen hinterher. Das Kind trieb inzwischen bäuchlings im Wasser und zeigte kein Lebenszeichen mehr. Vergeblich versuchte Horst Flicker, das Mädchen vom Ufer aus mit dem Stock an Land zu ziehen. Kurzentschlossen stieg er deshalb bis zu den Knien in den vier Grad kalten Fluss und griff sich die kleine Süleya. Deren Kleidung war allerdings so vollgezogen, dass Horst Flicker im Wasser auf die Hilfe eines weiteren Spaziergängers warten musste, den seine Frau zur Unglücksstelle geschickt hatte.
Gemeinsam zogen die beiden Männer Süleya aufs Trockene. »Erst zeigte sie keine Regung, dann spuckte sie Wasser und öffnete die Augen«, erinnert sich der Retter. Stark unterkühlt und noch immer in Lebensgefahr kam Süleya in die Kinderklinik Bielefeld-Bethel, wo sie sich von dem Unglück erholte. »Wir sind froh, dass wir zur rechten Zeit am rechten Ort waren«, sagen die Eheleute, die damals Besuch von Süleyans Eltern bekommen hatten, heute aber keinen Kontakt mehr zu dem Mädchen haben.
Am Samstag wurde das Ehepaar nun neben 23 weiteren Rettern in Düsseldorf von NRW-Innenminister Ingo Wolf ausgezeichnet. »Die Einladung hatte uns vor vier Wochen erreicht. Wir hatten überhaupt nicht damit gerechnet«, sagt die Gütersloherin. Ihr Mann bekam aus der Hand des Ministers eine Rettungsmedaille, sie selbst erhielt eine Belobigungsurkunde für ihr umsichtiges Verhalten. Eine Sprecherin der Staatsakanzlei erklärte, Horst Flicker habe unter Einsatz seines Lebens gehandelt: »Er hätte einen tödlichen Kälteschock erleiden oder nach der Rettung eine Lungenentzündung bekommen können, denn auch er hatte in dem eisigen Fluss eine Unterkühlung erlitten.«
Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen 55 Jahren 950 Menschen mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet.

Artikel vom 04.12.2006