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Letzten Willen der Mutter erfüllt

Frau stirbt an Krebs - Tochter darf jetzt doch bei ihrem Onkel aufwachsen

Von Christian Althoff
Bünde (WB). Nach mehr als einem Jahr ist für ein heute fünf Jahre altes Mädchen eine Odyssee zu Ende gegangen. Der Fall der kleinen Silke hatte drei Jugendämter, zwei Gerichte und mehrere Gutachter beschäftigt, bis die Halbwaise jetzt bei ihrem Onkel leben darf - so, wie es sich Silkes Mutter auf ihrem Sterbebett gewünscht hatte.

Dagmar M. (36) war im Mai 2005 im Lukas-Krankenhaus Bünde (Kreis Herford) an Unterleibskrebs gestorben. Kurz zuvor hatte sie ihrem Bruder Dirk M. (39) das Versprechen abgenommen, dass er ihre Tochter zu sich nehmen würde. Das Mädchen stammt aus einer Beziehung zu einem Schwarzafrikaner, der Dagmar M. noch während der Schwangerschaft verlassen und nie Unterhalt für sein Kind gezahlt hatte.
Nach dem Tod seiner Schwester holte Bauarbeiter Dirk M. seine Nichte zu sich nach Peine, wo er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Nicole T. (29) und den gemeinsamen Kindern Damian (1) und Sophie (9) wohnt. Das Jugendamt Peine hatte die Familie und die Wohnsituation überprüft und keine Einwände erhoben.
Die waren dann aber vom Jugendamt Bünde gekommen. Die Behörde war der Überzeugung, Silke müsse zu ihrem leiblichen Vater, da dieser, wie eine Diplompsychologin geschrieben hatte, »in Zukunft eine wichtige Identifikationsfigur« sein könne. Das Amtsgericht Bünde folgte der Argumentation des Jugendamtes, und die Beschwerde des Onkels vor dem Oberlandesgericht Hamm blieb ohne Erfolg - weil Dirk M. als Onkel kein Beschwerderecht zustand. Deshalb mussten die Pflegeeltern Silke trotz schwerster Bedenken nach zehn Monaten an den leiblichen Vater herausgeben, der in Bochum verheiratet ist.
»Das sollte nach Angaben des Jugendamtes Bünde das Beste für das Kind sein, aber es endete in einem Fiasko«, sagt Rechtsanwältin Ingeborg Eisele, die die Pflegeeltern vertreten hat. »Silke hat bei ihrem leiblichen Vater Hunger, Vernachlässigung und häusliche Gewalt erlebt.« Die Zustände seien so unhaltbar gewesen, dass das Jugendamt Bochum das Kind bereits nach drei Monaten in Obhut genommen habe.
Inzwischen hat die Bochumer Behörde Silke in Dauerpflege bei ihrem Onkel in Peine untergebracht. »Der leibliche Vater hat zwar weiterhin das Sorgerecht, aber wir gehen davon aus, dass Silke mindestens bis zu ihrem 18. Geburtstag bei uns bleiben wird«, sagt Nicole T. »Silkes Vater weiß, dass es seiner Tochter gut geht, und er erkundigt sich auch ab und zu nach ihr.« Das Mädchen besucht derzeit einen Kindergarten in Peine und soll im kommenden Jahr eingeschult werden.
Dirk M.: »Ich bin froh, dass Silkes Odyssee ein Ende gefunden hat - und dass ich den letzten Wunsch meiner Schwester doch noch erfüllen konnte.«

Artikel vom 02.12.2006