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Medea zwischen Herd
und schäbiger Couch

Nina Hoss begeistert im Euripides-Stück in Berlin

Von Caroline Bock
Berlin (dpa). Die Inszenierung modern, aber nicht modisch, dazu eine herausragende Nina Hoss als »Medea«: Das Deutsche Theater in Berlin hat am Mittwochabend das dritte Antikenprojekt der Spielzeit präsentiert. Bei der Premiere der Inszenierung von Barbara Frey gab es besonders viel Beifall und Bravo-Rufe für Hoss.

Den Stoff aus dem Jahr 431 v. Christi hat Frey als leicht zugängliches, aber nicht oberflächliches Ehedrama gestaltet. Es war auch das erste Mal, dass Hubert Ortkempers Neuübersetzung des Dramas von Euripides im Theater umgesetzt wurde. Mittelpunkt der Inszenierung und des plakativen Bühnenbilds ist ein beengter Kasten auf einem Podest, in dem Medea zwischen Herd, schäbiger Couch und Waschmaschine als Rache übende Zauberin ohne Ausweg agiert. Ein Kalender mit Griechenland-Bildern an der Wand ist ein kleines ironisches Beiwerk, das sich Bühnenbildnerin Bettina Meyer erlaubt.
An Freys Inszenierung gibt es wenig zu deuten. Medea ist gefangen in einem ihr fremden Land und rasend vor Wut, dass ihr Mann Jason (Michael Neuenschwander) eine Jüngere, eine Prinzessin, heiraten will und wird zur Mörderin. Nina Hoss kann brüllen, toben, verzweifeln, schmeicheln und listig sein; sie ist im Ensemble klarer Mittelpunkt des Abends. Kinozuschauern ist die 31 Jahre alte Schauspielerin aus Filmen wie »Wolfsburg« und »Elementarteilchen« bekannt, auf der Bühne glänzte sie in den vergangenen Jahren unter anderem in Michael Thalheimers »Emilia Galotti«. Sie wurde über Nacht zum Star.
Am 13. Dezember 1996 saßen fast neun Millionen Zuschauer vor dem Fernseher, um die seinerzeit noch vollkommen unbekannte Nina in der Hauptrolle der Bernd-Eichinger-Produktion »Das Mädchen Rosemarie« um die Frankfuerter Edelprostituierte zu sehen. Zwar war das Remake des Filmklassikers mit guter Besetzung kein besonders großer Erfolg, doch von der darstellerischen Leistung, dem verführerischen, aber auch präzisen, energiegeladenen Spiel von Nina Hoss waren alle restlos begeistert.
Hausregisseur Thalheimer ist am Deutschen Theater, das derzeit mit der Diskussion um den Nachfolger von Intendant Bernd Wilms Schlagzeilen macht, im Antiken-Schwerpunkt mit der »Orestie« vertreten. Sein Regiekollege Dimiter Gotscheff inszeniert »Die Perser«. Für Frey war es das erste Mal, dass sie ein griechisches Drama auf die Bühne brachte. Mit Hoss in der Titelrolle dürfte sie die Zuschauer auf ihrer Seite haben. Selbst Schulklassen wird sie mit ihrer weniger als zwei Stunden langen Variante des antiken Stoffes nicht zum Einschlafen bringen.

Artikel vom 01.12.2006