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Kalkriese soll auf Varus-Titel verzichten

Landrat Heuwinkel: »Öffentlichkeit nicht weiter täuschen« - Römische Funde auch in Lippe

Von Ernst-Wilhelm Pape
Detmold (WB). Der Streit um den Ort der legendären Schlacht im Teutoburger Wald ist drei Jahre vor dem Jubiläum »2000 Jahre Varusschlacht« voll entbrannt.
Ein Modell des römischen Kriegsschiffes, das 2008 auch auf der Weser fahren soll.

Der Landrat des Kreises Lippe, Friedel Heuwinkel (CDU), hat den Geschäftsführer der gemeinnnützigen Gesellschaft »Varusschlacht im Osnabrücker Land« Dr. Joseph Rottmann, aufgefordert, Kalkriese bei Osnabrück nicht mehr als Ort der Varusschlacht zu bezeichnen. »Es ist ganz schön dreist, ohne Wenn und Aber Kalkriese als Ort der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus zu bezeichnen«, sagte Heuwinkel dieser Zeitung. Aufgrund der aktuellen Debatte und der neuen Grabungsfunde müsse Kalkriese den Titel »Ort der Varusschlacht« ablegen. Die Gesellschaft, die das Museum und den Park Kalkriese betreiben, müssten unverzüglich ihr Marketingkonzept ändern, um die Öffentlichkeit nicht weiter zu täuschen. Hauptgesellschafter in Kalkriese ist der Landkreis Osnabrück.
In Kalkriese waren römische Spitzgräben gefunden worden, die auf Lager der Römer und keinesfalls auf einen Hinterhalt der Germanen hinweisen. Viele Historiker und Wissenschaftler sehen die Kalkriese-These somit zunehmend kritisch. Das ausgegrabene Schlachtfeld bei Osnabrück müsse in die Zeit 15 und 16 nach Christus eingeordnet werden, sagte zum Beispiel Dr. Peter Kehne von der Universität Hannover. Die Römer hätten hier bei Rachefeldzügen unter Germanicus ein Lager aufgeschlagen und auch befestigt.
Die Varusschlacht hat historische Bedeutung. Der Cheruskerfürst Arminius (Hermann) hatte drei Legionen des römischen Statthalters Varus in einen Hinterhalt gelockt und besiegt. Mit dieser Niederlage scheiterten die Eroberung von Germanien und seine Eingliederung in das römische Weltreich. Hermann der Cherusker wurde zum Mythos, an den das 1875 eingeweihte Hermannsdenkmal in Detmold erinnert.
Nach Angaben von Dr. Michael Zelle, Projektleiter 2000 Jahre Varusschlacht im Lippischen Landesmuseum, stehen die Chancen 50:50 für Kalkriese als Ort der Varusschlacht. Auch in Lippe habe es römische Funde gegeben. Zum Beispiel seien bei Oesterholz römische Geschossbolzenteile und auch Teile von römischen Wurfspeeren gefunden worden. Hier werde es noch weitere Untersuchungen geben.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass die entscheidende Schlacht in Lippe getobt hat«, sagte Heuwinkel. »Damit wir mit den Niedersachsen bis zum Jubiläum auf Augenhöhe diskutieren können, sollte Kalkriese den Titel Ort der Varusschlacht nicht weiter benutzen.« Es gebe keine eindeutigen Beweise, die eine Verlegung des Schlachtortes von Detmold nach Kalkriese rechtfertigten, sagte Heuwinkel.
Er werde seine Aufforderung Dr. Rottmann auch persönlich übermitteln, betonte der Landrat. Heuwinkel und Rottmann treffen an diesem Montag im Wald bei Horn-Bad Meinberg zusammen. An diesem Tag beginnt der Holzeinschlag für ein römisches Kriegsschiff. Der Landesverband Lippe stellt das Holz für den Nachbau zur Verfügung. Das nachgebaute römische Kriegsschiff soll, wie berichtet, im Jahr 2008 quer durch Deutschlands Flusslandschaft fahren, um die Feierlichkeiten zum 2000. Jahrestag der Varusschlacht im Folgejahr einzuläuten.

Artikel vom 01.12.2006