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Tochter musste
Reiniger trinken

Mutter spricht von »Wunschkind«

Von Axel Büssem
Rostock (dpa). Eine Mutter aus Mecklenburg-Vorpommern hat ihre kleine Tochter jahrelang gezwungen, Kalkreiniger und Essigessenz zu trinken. Außerdem hatte sie die heute fünf Jahre alte Lea-Marie mit kochendem Wasser übergossen, um 1000 Euro von der Unfallversicherung zu erschwindeln.

Das gestand die 27-Jährige gestern vor dem Rostocker Landgericht. Das Kind erlitt dauerhafte Schäden. Die Frau sagte aus, sie habe ihre Tochter im Zeitraum von knapp vier Jahren 21 Mal mit Gewalt gezwungen, die ätzenden Substanzen in steigender Dosierung zu trinken. In sechs weiteren angeklagten Fällen, in denen das Mädchen wegen ähnlicher Symptome behandelt werden musste, habe dies andere Ursachen gehabt.
Die 27-jährige beschrieb, wie sie ihre Tochter auf den Boden oder in ihr Bettchen drückte, ihr gewaltsam den Mund öffnete und ihr die mit Tee vermischten Flüssigkeiten einflößte. Zunächst war es der Schilderung zufolge nur wenig Essigessenz, im Laufe der Zeit wurde es immer mehr. Die Mutter wechselte zu ätzendem Kalkreiniger, den Lea-Marie am Ende fast pur trinken musste. Danach fing sie nach Angaben ihrer Mutter gleich an zu weinen und zu spucken und musste immer wieder ins Krankenhaus. Auf die Frage des Richters, ob ihr denn klar sei, was die Substanzen anrichten könnten, antwortete die Mutter mit »Ja«.
Doch auf die mehrfach gestellte Frage des Richters, warum sie ihre Tochter so quälte, wusste die Mutter keine Antwort. »Ich weiß nur, dass es Wahnsinn ist, was ich meiner Tochter angetan habe.« Lea-Marie sei ein Wunschkind gewesen, sagte die Mutter. Wenn es ihr mit ihrer Tochter aber zu anstrengend geworden sei, habe sie zu den Flaschen mit Essig oder Reiniger gegriffen. Dabei habe sie nie an die 150 000 Euro gedacht, die Lea-Maries Unfallversicherung im Fall einer dauerhaften Invalidität gezahlt hätte.
In einem anderen Fall gab die 27-Jährige Versicherungsbetrug zu: Als Lea-Marie 15 Monate alt war, habe sie sie in die Badewanne gesetzt und ihr kochendes Wasser über Bauch und Oberschenkel gegossen. Bei der Versicherung und ihrem Mann behauptete die Mutter, das Mädchen habe einen Topf mit Kartoffeln vom Herd gezogen. Sie bekam 864 Euro. Lea-Maries Vater soll das Kind mit dem Teppichklopfer verprügelt und mit dem Kopf gegen die Heizung geschlagen haben. Inzwischen lebt das Mädchen bei einer speziell für die Behandlung behinderter Kinder ausgebildeten Pflegemutter.

Artikel vom 01.12.2006