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Seit 365 Tagen auf Mördersuche

Nach Tod eines Ehepaares verfolgen Polizisten 867 Spuren in 14 Ländern

Von Christian Althoff
Delbrück (WB). Seit 365 Tagen versucht Kriminalhauptkommissar Martin Wowro (40) mit elf Kollegen, den Doppelmord an Cornelia (44) und Ingo Gratzik (38) aus Delbrück-Bentfeld (Kreis Paderborn) zu klären. Nie zuvor hat eine Mordkommission in Ostwestfalen-Lippe so lange ermittelt.
Cornelia und Ingo Gratzik sind vor einem Jahr erschossen und ausgeraubt worden.

In einer Baracke der Polizeischule Stukenbrock hat die »MK Bentfeld« Quartier bezogen. Auf Wowros Schreibtisch stehen zwei Pappkartons, in denen Notizen über eingehende Hinweise gesammelt werden. Sie sind fast leer. »867 Spuren haben wir überprüft, jetzt sind wir langsam am Ende«, sagt der Kriminalbeamte. Natürlich wurmt es ihn, wenn die Mordkommission Ende des Monats aufgelöst wird, ohne dass der Täter gefasst worden ist. »Aber wir können guten Gewissens behaupten, dass wir alles versucht haben«, sagt Wowro.
Militariahändler Ingo Gratzik (38) und seine Frau Cornelia (44), die bei Nixdorf beschäftigt war, waren in der Nacht zum 1. Dezember 2005 in ihrem Haus erschossen worden. Dann hatte der Täter fünf Kisten mit mehreren tausend Orden (rechts ein Pour le Mérite), Kleidungsstücken und Waffen in einen Transporter geladen, die Toten mit Benzin übergossen und angezündet. »Der Mörder war seit 19 Uhr im Haus des Ehepaares und ist morgens gegen 2 Uhr gefahren«, sagt Wowro. Er nimmt an, dass der Unbekannte den Militariahändler in ganz anderer Absicht besucht hat, sich dann aber ein tödlicher Streit entwickelt hat.
In der Sammler-Szene wird kolportiert, Gratzik habe mit gefälschten Militaria gehandelt und sei an den Falschen geraten. »Wir haben aber keine Hinweise auf Betrügereien gefunden«, sagt Wowro. Zudem sei niemand vor Fälschungen gefeit: »In Tschechien werden Originalmaschinen aus dem Dritten Reich benutzt, um Orden und Dolche herzustellen.«
597 Speichelproben hat die Mordkommission bis heute von Sammlern und
Händlern genommen, die Kontakt zu Gratzik gehabt haben sollen. Doch keine der bisher ausgewerteten Proben passte zu der DNA-Spur, die der Täter hinterlassen hat. Die 120 letzten Speichelproben werden derzeit noch untersucht. Die Kripo hatte sie vor drei Wochen von ausländischen Händlern auf der »Waffenbörse Kassel 2006« genommen.
Verstärkt durch einen fachkundigen Schutzpolizisten aus Soest, der selbst Militaria sammelt, hat die »MK Bentfeld« Spuren in die USA, nach England, Norwegen, Dänemark, Polen, Estland, Lettland, Russland, Tschechien, Österreich, Italien, Frankreich und Spanien verfolgt. Die Beamten haben 8000 Flugblätter verteilt, mit Hilfe der Sendung »Aktenzeichen XY ungelöst« gefahndet und hunderte von Zeugen vernommen. Wowro: »Nach einem Jahr hätten wir es jetzt eigentlich verdient, dass uns ein glücklicher Zufall doch noch zum Durchbruch verhilft.«

Artikel vom 01.12.2006