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Vertuschen ist keine Lösung
Telefonaktion zum Problem »Alkohol« mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Der Mensch findet immer Gründe, um Alkohol zu trinken: Frust oder Freude, Langeweile oder Stress, Geselligkeit oder Einsamkeit. Wenn Alkohol aber zur täglichen Gewohnheit wird, ist der Weg zur Sucht nicht weit - mit allen damit verbundenen Problemen. Entsprechend häufig klingelten die Telefone bei den Experten für Suchtberatung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Brigitte Ganse und Beate Kübler-Blümel.
Wie viel Alkohol täglich ist unbedenklich? Täglich sollte man nicht Alkohol trinken. Um eine Sucht zu vermeiden, ist es vernünftig, mindestens zwei Tage in der Woche alkoholfrei zu bleiben. Ansonsten gibt es für gesunde Erwachsene eine Faustregel: Männer nicht mehr als zwei Gläser, Frauen nicht mehr als ein Glas pro Tag, wobei was die Glasgröße betrifft: Es werden Standardgläser für das jeweilige Getränk zu Grunde gelegt. In einem Glas Bier sind 0,25 Liter, in einem Glas Wein 0,125 Liter, in einem Schnapsglas 0,04 Liter.

Mein Mann trinkt jeden Abend. Bisher konnte ich verhindern, dass etwas davon nach außen drang. Aber wie soll es weiter gehen? Wenn Sie weiter das Problem vertuschen, wird Ihr Mann keinen Grund sehen, seine Trinkgewohnheiten zu ändern. Er muss die Folgen seines Alkoholmissbrauchs selbst spüren. Legen Sie für sich fest, bis zu welchem Punkt Sie bereit sind, das Trinken Ihres Mannes zu tolerieren. Dann ziehen Sie daraus die Konsequenzen und teilen diese Ihrem Mann mit. Erst wenn er merkt, dass Sie es wirklich ernst meinen, erst dann wird sich vielleicht in seinem Kopf etwas in Bewegung setzen.

Ich schlafe nachts kaum durch. Kann das von ein paar Bier am Abend kommen? Ja, Schlafstörungen und auch eingeschränkte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit am nächsten Tag kann von zu viel Alkohol verursacht werden. Oft schläft man nach Alkoholgenuss zwar besser ein, aber der Nachtschlaf ist erstens nicht mehr so tief und erholsam wie ohne Alkoholkonsum und wird zweitens häufig durch Erwachen gestört.

Kann ich meinem Sohn - obwohl er schon 17 ist - verbieten, Alkohol zu trinken? Alkohol-Verbote sind bei Jugendlichen selten hilfreich. Bessere Ergebnisse bringen gemeinsam aufgestellte Konsum-Regeln, wie zum Beispiel: Alkohol nur am Wochenende und nur in festgelegten Grenzen. Oder sie vereinbaren gemeinsam eine Alkoholabstinenz über eine gewisse Zeit. Danach sollten Sie sich austauschen, wie jeder damit zurecht gekommen ist.

Mein Mann hat die Arbeit verloren und sein Trinken ist noch schlimmer geworden. Wir führen ansonsten eine gute Ehe, kann ich ihm irgendwie helfen? Leider nicht viel, die Hauptarbeit muss er allein leisten. Das wird am besten mit einer professionellen Beratung möglich sein. Sagen Sie ihm, dass Sie Angst um ihn haben. Sprechen Sie ganz bewusst in der Ich-Form. Reden Sie über Ihre Gefühle. Vielleicht gibt das den Ausschlag, dass Ihr Mann eine Selbsthilfegruppe aufsucht oder eine Beratungsstelle für Alkoholabhängige.

Meine Tochter ist schon erwachsen. Sie trinkt viel, vor allem Sekt und Wein. Sie hat das auch selbst schon erkannt aber will nicht zu einer Beratung. Was kann ich tun? Bleiben Sie mit ihr im Gespräch. Versuchen Sie mit viel Einfühlungsvermögen heraus zu finden, warum sie trinkt. Vielleicht schaffen Sie es, ihr zu erklären, dass riskanter Alkoholkonsum gesundheitsschädlich ist und in einer Abhängigkeit münden kann. Das ist eine richtige Krankheit. Mit anderen Krankheiten würde sie bestimmt auch zu einem Spezialisten gehen.

Mein Freund hat schon richtige Ausfallerscheinungen nach seinen Gelagen. Wie kann ich ihn davon abbringen? Sprechen Sie mit ihm ganz sachlich über Ihre Beobachtungen. Warten Sie in Ruhe ab, wie er reagiert. Wenn er das Problem negiert, können Sie überlegen, ob Sie noch einen Menschen mit hinzu bitten, den Ihr Freund mag, um ihm von mehreren Seiten klar zu machen, dass es so nicht weiter gehen kann. Aber lösen können Sie das Problem Ihres Freundes nicht. Das kann er nur selbst. Doch damit er Hilfe annimmt, muss er sich des Problems bewusst werden. Und dabei können partnerschaftliche Gespräche helfen.

Früher habe ich ab zu ein Gläschen getrunken, inzwischen ist es eine halbe Flasche Schnaps pro Tag. Wie komme ich davon wieder los? Besprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder mit einer Suchtberatungsstelle die Möglichkeit eines klinischen Entzugs. Dabei werden Sie unter ärztlicher Aufsicht vom Alkohol entwöhnt. Wissen muss man, dass der körperliche Entzug etwa zwei bis drei Wochen dauern kann. Aber das Verlangen, Alkohol zu trinken, ist nach dieser Zeit noch nicht überwunden. Dazu bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung. Man muss lernen, den Alkoholismus für sich als Krankheit zu akzeptieren. Dann fällt es leichter, künftig zum Alkohol nein zu sagen.

Ich bin Rentner, meine Frau arbeitet noch. Aus Langeweile trinke ich den Tag über immer etwas Alkohol. Ich merke schon, dass mir das nicht gut tut. Was hilft mir, damit aufzuhören? Überlegen Sie sich Varianten, die Langeweile mit anderen Mitteln zu vertreiben. Erkunden Sie in Ihrer Umgebung, welche Angebote es für Senioren gibt: Wandergruppen oder Hobbynachmittage, Skat-Abende, Fotokurse, Mal-Workshops oder Sprachkurse für Senioren oder was auch immer. Organisieren Sie an jedem Tag etwas für sich, was Ihnen Freude macht. Unterstützung können Sie sich bei Ihrem Hausarzt oder in einer Suchtberatungsstelle holen.

Mein Vater ist über 70 und trinkt pro Tag mehrere Flaschen Bier. Auf mein Drängen hin erklärte er sich jetzt bereit, die Menge auf vier Flaschen zu reduzieren. Reicht das? Sollte er nicht eher völlig auf Alkohol verzichten? Wenn dieses Angebot von Ihrem Vater selbst kommt, dann sollten Sie ihn in seinem Vorhaben unterstützen. Denn was er selbst will, kann er besser schaffen. Die Reduktion der Trinkmenge ist in dem Alter wahrscheinlich realistischer als der völlige Verzicht auf Alkohol. Treffen Sie klare Vereinbarungen zur Kontrolle der Trinkmenge und beobachten Sie, ob sich ihr Vater daran hält.

Wo findet man professionelle Beratung bei Alkoholsucht vor Ort? Die wichtigsten Organisationen, die sich mit dem Problem Alkohol befassen, sind das Blaue Kreuz, die Anonymen Alkoholiker, der Guttempler Orden und der Kreuzbund. Für Angehörige und Freunde von Alkoholikern bietet Al-Anon Beratung. Am schnellsten finden Sie die jeweiligen Ansprechpartner per Internet oder im örtlichen Telefonbuch.

Artikel vom 08.12.2006