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Das Schweigen der Schalker

Medien-Boykott und Medien-Schelte: Trainer schossen auch schon zurück

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Sie spielen und siegen. Sie tricksen und treffen. Aber sie reden nicht mehr. Das Schweigen der Schalker, es begann nach dem 2:2 gegen Rekordmeister FC Bayern München am Abend des 5. November.

Wortlos und grußlos ließen die Königsblauen damals die Medienvertreter stehen. Tief beleidigt und schwer verletzt, sie fühlten sich zu scharf kritisiert. Es folgte der Interview-Boykott, den ein Spieler jetzt allerdings umdribbelte. Aber der Däne Peter Lövenkrands äußerte sich nur in seiner Heimat, das war ein Auswärtsspiel. Kapitän Marcelo Bordon war trotzdem ziemlich sauer und stellte fest: »Wir bleiben bei unserem Beschluss. Wir sprechen vorerst nicht mehr mit deutschen Journalisten.«
Ob dieses Gelübde direkte Auswirkungen auf ihre Spiele hat, ist wissenschaftlich noch nicht erwiesen. Fest steht: Jenseits der Stille sorgten sie für Knalleffekte. Die Schalker Schweiger stürmten an die Spitze. Das freut den Vorstand, das bejubeln die Fans. Und das registrieren selbstverständlich die Medien. Allerdings: So schlimm ist es nun auch wieder nicht, auf die Aussagen der Kicker mal ein paar Wochen verzichten zu müssen. Gerade über diesen Verein und in diesem Verein ist vorher genug bis viel zu viel geredet worden.
Trainer Mirko Slomka und Manager Andreas Müller sind im Moment die einzigen »Lautsprecher«. Ihre Tonlage ist wohltuend sachlich. Wobei Müller bisher vergeblich versuchte, den Medien-Boykott der Kicker zu beenden. Inzwischen hat er resigniert: »Die sollen selbst entscheiden, wann sie wieder Interviews geben wollen.«
Der Dialog mit den Medien ist für die Profi-Branche Fußball eigentlich eine Selbstverständlichkeit, in den meisten Fällen sogar erstklassige Eigenwerbung. Darauf können die Schalker aber in diesen Tagen verzichten. Schweigen und genießen. Ihre Ergebnisse und die Tabelle sprechen für sich.
Mirko Slomka, vor Wochen noch stark umstritten, rückt so immer mehr in den Vordergrund. Keine Frage: Der Mann, der selbst zu Krisenzeiten stets lächelte, er verkauft sich gut. Wie Kollege Felix Magath. Der Bayern-Coach spult alle Gespräche routiniert und freundlich ab. Auch Thomas Schaaf, eigentlich kein Schwätzer, hat seine Rolle akzeptiert. Der Bremer gibt immer Auskunft. Seine Sätze sind manchmal allerdings nicht besonders lang.
Doch immer noch Monologe im Vergleich zu den Aussagen des verstorbenen Meister-Machers Ernst Happel. Der mochte die Medienleute nie besonders, fertigte sie am liebsten ganz kurz ab. Legendär ist eine Pressekonferenz, in der der Österreicher nur mit »Ja« oder »Nein« antwortete. Happel erreichte, was er wollte. Es gab sehr schnell keine Fragen mehr.
Auch drei Nationaltrainer machten das Pflicht-Programm mit den Berichterstattern nicht immer zur Kür. Franz Beckenbauer wurde bei der WM 1986 in Mexiko nach ersten Kritiken so zornig, dass er einen Reporter sogar schon würgen wollte. Unvergessen ist Rudi Völlers Ausbruch auf Island. Im Live-Interview mit Waldemar Hartmann ließ der sonst so verbindliche Mann seinen Frust raus, weil er den »ganzen Scheiß nicht mehr hören konnte.«
Volle Breitseiten verteilte sein Nachfolger Jürgen Klinsmann im März 2006 nach dem 4:1-Sieg gegen die USA. Damals witterte er Verrat und Intrigen, befürchtete seine Demontage und beschimpfte die verdutzte Reporter-Runde.
Es gibt aber auch einen Fußball-lehrer, der das Spielchen mit den den Medien beherrscht und sie zu gern benutzt. Heute so, morgen anders. Christoph Daum verkündete vor Wochen Sport-Bild: »Nie mehr Bundesliga.« Am Tag darauf sagte er in der Bild-Zeitung: »Ich bin bereit für die Bundesliga.«

Artikel vom 01.12.2006