30.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein bitterer Schluck für alle Biertrinker

Preis pro Kasten von 2007 an teurer - Oetker-Biersparte Radeberger entscheidet im Frühjahr

Von Bernhard Hertlein
Frankfurt (WB). Auf die Party folgt der Kater. Dies gilt nach einem von Wetter und Fußball-WM verwöhnten 2006 auch für die Bierbrauer. Sie rechnen 2007 mit rückläufigen Erlösen. Biertrinker müssen sich auf höhere Preise einstellen.

Ulrich Kallmeyer, Chef der Dr. Oetker-Brauereisparte Radeberger, erwartet für die Branche in Deutschland 2007 einen Umsatzrückgang von 2,5 Prozent. In diesem Jahr können die Brauer nach langer Talfahrt endlich mal wieder um 0,8 Prozent zulegen.
Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, Promillegrenze und Veränderung des Trinkverhaltens sei 2007 ein Rückgang um zwei Prozent normal. Weitere 0,5 Prozent kämen durch die Mehrwertsteuererhöhung hinzu. Sie entziehe je Haushalt 300 Euro im Jahr - das seien 20 und 50 Kästen Bier.
Verstärkt werde das WM-Katerjahr durch die schlechte Ernte bei Braugerste, die Nachfragemacht China - der zweitgrößte Biermarkt der Welt - und den für viele Bauern lukrativeren, weil subventionierten Getreideanbau für Biodiesel. Den möglichen, aber durch das deutsche Reinheitsgebot untersagten Einsatz anderer Grundsubstanzen lehnt Kallmeyer ab. »Wir überlassen den Reis lieber den Chinesen und den Mais den Mexikanern.«
Immerhin müsste der Kasten Bier allein wegen des explodierenden Malz-Preises heute schon 20 bis 30 Cent mehr kosten. Dazu kämen 10 Cent durch die Kostensteigerungen bei Energie, Logistik und Personal. Rechnet man noch Handelsspanne und Mehrwertsteuer hinzu, seien Erhöhungen von bis zu einem Euro pro Kasten Bier die Folge. Kallmeyer ließ gestern in Frankfurt noch offen, wie sich die Radeberger Gruppe verhalten werde: »Wir entscheiden im Frühjahr 2007.«
Nach der Integration des Getränkekonzerns Brau und Brunnen, die 2006 dazu führte, dass man noch einmal um 0,4 (Vorjahr: 5) Prozent hinter dem Markt hinterher hinkte, ist die Radeberger-Gruppe mit einem Anteil von 15 Prozent weiterhin Marktführer und entschlossen, den Anteil bis zum Jahr 2010 auf »20 Prozent plus« auszuweiten. Dabei werden die nationalen Marken (Radeberger, Jever, Schöfferhofer Weizen, Brinkhoffs, DAB, Clausthaler) und Spezialitäten (Berliner Kindl, Krusovice, Ur-Kostritzer, Sion Kölsch, Corona) durch regionale Marken abgestützt. Die Oetker-Gruppe werde ihren Anteil an Stuttgarter Hofbräu zum Jahreswechsel von 50 auf 100 Prozent erhöhen. Marktgerüchte drehen sich zudem um die Schörghuber-Brauereien (Paulaner, Fürstenberg, Hoepfner, Thurn und Taxis) und um die sich in Familienbesitz befindliche Brauerei Herforder Pils. Kallmeyer wollte dazu gestern keine Stellung nehmen. Allerdings würde eine Braustätte mit 500000 Hektolitern - die Herforder liegen etwas darüber - gut ins Portfolio von Ravensberger passen. Gerüchte über einen möglichen Eigentümerwechsel werden in Herford noch eindeutig dementiert. »Da ist nichts dran«, sagte kürzlich der dortige Brauerei-Chef Udo Tydecks.
Trotz der angestrebten Marktanteilsgewinne hält Kallmeyer an der Strategie fest, Billigbiere aus dem Markt zu nehmen. Sechs stillgelegte Dosen-Abfüllunganlagen werden ins Ausland verkauft. Insgesamt hat die Radeberger-Gruppe in drei Jahren Kapazitäten von acht Millionen Hektoliter aus dem Markt genommen.
Kritisch äußerte sich Kallmeyer gestern zum Brauereistandort Dortmund. Während die Zusammenführung von Brauereien in Berlin jetzt mit Erfolg abgeschlossen sei, laufe es bei der mit Brinkhoffs kombinierten Dortmunder Actien-Brauerei weiter holprig. Ein Personalabbau sei unumgänglich.
Das wirtschaftliche Herz der Oetker-Biersparte schlage heute nicht mehr in Dortmund, sondern in Sachsen, der Heimat von Radeberger, Ur-Kostritzer, Sternburg und neuerdings Freiberger.

Artikel vom 30.11.2006