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Seitz knöpft sich die Fans vor

Paderborns Trainer ist sauer: »Die sollen die Mannschaft in Ruhe lassen«

Von Matthias Reichstein
Paderborn (WB). Die Partie war schon eine Stunde aus, das Flutlicht längst ausgeknipst und vor dem Löns-Stadion diskutierten auch nur noch ein paar Fans - da stand Paderborns Trainer Roland Seitz noch immer im Presseraum und sinnierte über die Reaktionen der eigenen Anhänger nach dem 1:1 (1:0) gegen den SC Freiburg.

»Eine mittelmäßige Mannschaft kann nicht Meister werden. Aber hier in Paderborn wissen scheinbar noch immer nicht alle, was realistisch ist.« Der Fußballlehrer war stocksauer. Als Youssef Mohamad (61.) den Freiburger Ausgleich erzielt hatte, brachen bei den Treuesten der Treuen alle Dämme. Erst gab's Sprechchöre für Ex-Coach Jos Luhukay und damit gegen den Trainer, dann war die Mannschaft dran. »Wir wollen euch kämpfen sehen«, war noch harmlos. Mit Gesängen wie »Wir haben die Schnauze voll« wurde es dann mit zunehmender Spielzeit deftiger. »Die sollen auf mich losgehen, aber die Mannschaft in Ruhe lassen. So wird doch jeder Einzelne auf dem Rasen noch zusätzlich verunsichert«, zürnte Seitz und legte nach: »Auch Fans müssen unterscheiden, ob eine Mannschaft will oder nicht und ob eine Mannschaft etwas gut oder schlecht umsetzt. Meine Mannschaft will, sie macht nur im Moment im entscheidenden Moment das Verkehrte.«
Das wiederum ist für den 42-Jährigen eine Frage der Qualität. Die sei zwar auch beim SCP da, aber eben nicht in der Dichte wie bei anderen Klubs. »Uns treffen Verletzungspausen oder Spielsperren doppelt hart«, sagt Seitz, verweist dabei auf die schwächere Infrastruktur (kein Stadion, kein Trainingszentrum, kleiner Etat) und nennt die Beispiele Dennis Schulp und Timo Röttger. Der lange verletzte holländische Spielmacher (Sehnen-OP) saß am Freitag zum ersten Mal in dieser Saison wieder auf der Bank, kam acht Minuten vor dem Ende und deutete da in zwei, drei Situationen schon an, wie wichtig er für den SCP ist. »Wenn Dennis heute schon eine halbe Stunde hätte spielen können, wären wir mit einem 3:0-Sieg vom Platz gegangen. Denn er hat die Ruhe, das Auge und die Klasse, den entscheidenden Pass zu spielen«, frohlockte der Fußballlehrer.
Viel Lob für den 28-Jährigen - ein dickes Kompliment gab es von Seitz auch für Timo Röttger. Der hatte nach einer halben Stunde die torlose Zeit (480 Minuten ohne SCP-Treffer) mit einem Abstauber zur 1:0-Führung beendet. »Es war für mich kein Zufall, dass wieder der kleine, brave Timo das Tor gemacht hat. Der arbeitet wie ein Verrückter, ist aber eigentlich als zwölfter Mann hierhergekommen. Er sollte sich in Ruhe weiterentwickeln, jetzt bin ich froh, dass ich ihn von Beginn an bringen kann.«
Während der 21-jährige Röttger die Fan-Reaktionen (»Wir arbeiten jeden Tag hart für den Erfolg«) nicht so recht nachvollziehen konnte, zeigte Schulp ein wenig Verständnis. »Kampffußball sieht nicht schön aus und fünf Spiele ohne Tor waren eine lange Zeit. Aber wir können diese schwierige Situation nur miteinander überstehen.«
Wobei die »schwierige Situation« auch ganz unterschiedlich interpretiert wird. Seitz will zum Beispiel auch nach dem sechsten Spiel ohne Sieg nichts »dramatisieren« und verweist auf die Gesamt-Bilanz: »Wir haben 17 Punkte und können die 20 voll machen. Damit muss man dann auch mal zufrieden sein.« Unterstützung gab's von Publikumsliebling Erwin Koen, der auch die Fangemeinde ins Visier nahm: »Hier sollten mal alle auf dem Teppich bleiben. Wir wollen schließlich drin bleiben und nicht aufsteigen.«
Im Umfeld herrscht Unruhe, das zeigten die Zuschauer-Reaktionen. Wie lange Roland Seitz problemlos weiterarbeiten kann, entscheidet beim SC Paderborn der Präsident und der äußerte sich am Freitag eindeutig. »Bei uns ist die Erwartungshaltung unvernünftig groß, deshalb kann ich manche Reaktion nicht verstehen«, sprach Wilfried Finke dieses Schlusswort.

Artikel vom 04.12.2006