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»Fritz braucht
keinen Kaffee«

Karl-Heinz Budt über Computerschach

Von Curd Paetzke (Text und Fotos)
Kreis Herford (HK). Die Schachfreunde aus Herford blicken in diesen Tagen mit einer gewissen Besorgnis nach Bonn. Dort versucht Schachweltmeister Wladimir Kramnik im Duell gegen das Computerprogramm »Deep Fritz« die Ehre der Menschheit zu verteidigen. Karl-Heinz Budt (64), einer der stärksten Schachspieler im Kreisgebiet, drückt dem Russen zwar die Daumen, sieht aber - leider - den Rechner vorne.

Der pensionierte Schulleiter aus Kirchlengern ist seit mehr als fünf Jahrzehnten ein begeisterter Anhänger des königlichen Spiels. »Ich bin als Schüler mit dem Zug nach Melle gefahren - zum Zeitvertreib hatten meine Freunde und ich immer Schachfiguren und Brett dabei«, berichtet Karl-Heinz Budt. Der Schachgemeinschaft Bünde trat er 1959 bei, seit Anfang der 90-er Jahre ist er Mitglied der Schachgemeinschaft Kirchlengern. 1970 gehörte Budt zu einer Auswahl starker Spieler, die in Münster bei einem Simultan-Turnier gegen den legendären Bobby Fischer antraten. Der US-Amerikaner kassierte gegen Budt eine seiner ganz wenigen Niederlagen. »Well done«, sagte der Meister damals nur.
Heute ist Budt, mehrfacher Meister des Schachbezirks Porta, im Seniorenschach aktiv, nimmt an national- und international besetzten Wettkämpfen teil. Seine ELO-Zahl, die Auskunft über seine Spielstärke gibt, liegt bei stolzen 2130. Zur Vorbereitung auf Turniere greift der Kirchlengeraner auf Schachprogramme zurück. Auch »Fritz« gehört dazu, wenn auch nicht in der »Superversion«, mit der es derzeit Wladimir Kramnik in der Bonner Kunsthalle zu tun hat. Offen räumt Budt ein: »In der höchsten Spielstufe gelingt mir gegen ÝFritzÜ einfach kein Sieg.« Die PC-Programme hätten im Laufe der vergangenen Jahre eine Art Quantensprung gemacht: »Die älteren Modelle«, schildert der Ostwestfalenmeister (Seniorenbereich), »waren überaus gefräßig und verspeisten alle Bauern, die sie kriegen konnten - um dann in ihr Verderben zu laufen«. Heute seien Computer in der Lage, Fallen zu erkennen, »ja, sie opfern sogar eiskalt Figuren, wenn sie sich dadurch in Vorteil bringen können«. Legendär ist hier eine Partie, die Anatoli Karpov gegen ein starkes Programm spielte. Der Rechner gab einen Turm auf, woraufhin dem ehemaligen Schachweltmeister ein Strahlen übers Gesicht huschte - allerdings nur für kurze Zeit, denn zehn Züge später war er seinen Turm ebenfalls los. Der Computer hatte einfach weiter und tiefer gerechnet als der homo sapiens.
Karl-Heinz Budt fasst die Entwicklung der Software so zusammen: »Computer spielen inzwischen wie Menschen.« Dennoch sei es ihm rätselhaft, warum er die Programmierer vielleicht bei einer Schachpartie schlagen könnte, gegen deren »Kind« allerdings keine Chance mehr habe. Budt: »Das ist schon irgendwie erstaunlich, oder?«
Das Geschehen in Bonn verfolgt Karl-Heinz Budt wie viele andere Millionen Schachfans über das Internet (www.mensch-gegen-maschine.de). Am Rhein ist »Deep Fritz« nach einem katastrophalen Fehler des Weltmeisters in der zweiten Begegnung in Führung gegangen, führt derzeit 2:1.
Budt wundert das nicht: »Von diesem Schnitzer Kramniks einmal abgesehen, ist der Mensch eigentlich bei Partien gegen solche Rechenmonster die ganze Zeit über im Nachteil. Ein Computer wie Fritz wird nie müde, ein Computer kennt keine Ehrfurcht vor großen Namen - und ein Computer braucht auch keine Kaffeepause...«

Artikel vom 01.12.2006