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Wenn der Schla-Wiener erzählt

Zum Tode von Max Merkel: Meistermacher und spöttischer Oberkritiker

Von Klaus Lükewille
München (WB). Titel und Triumphe, Rüpeleien und Rausschmisse. Max Merkel hat in seiner Trainer-Laufbahn nichts ausgelassen. Im Alter von 87 Jahren ist der Fußball-Lehrer in Putzbrunn bei München nach langer Krankheit gestorben.

Sein Motto: mit Zuckerbrot und Peitsche. So eroberte »MM« in der Bundesliga mit 1860 München (1964) und dem 1. FC Nürnberg (1968) Platz eins. Mit Rapid Wien (1957) und Atletico Madrid (1973) führte er in Österreich und Spanien Mannschaften auf den Thron. Dafür gab es stets ordentlich »Marie«, wie er die Gagen nannte. Merkel hinterlässt Ehefrau Marion und Tochter Maxi (34).
»Meisterstücke« machte der Trainer a. D. immer noch, als er die Bank geräumt hatte. 29 Jahre durfte er für die »Bild-Zeitung« den Oberkritiker spielen. Spitzen, Spott und Schmäh. Merkel attackierte in seinen Kolumnen alle. So musste Trainer-Kollege Otto Rehhagel einmal über sich lesen: »Früher hatte er Mühe, Omelett von Hamlet zu unterscheiden.«
Ja, wenn der alte Schla-Wiener erzählte. Dann kannte er keine Gnade. Schon gar nicht mit den DFB-Funktionären. Den Herren unterstellte er glatt, die wüssten nicht einmal, dass Luft im Ball sei: »Die glauben doch, der springt nur, weil ein Frosch darin sitzt.«
Und die Spieler, sie bekamen auch immer wieder ihr Fett weg. Wie der Bremer Torjäger Frank Neubarth: »Der Lange läuft, als hätten sie ihm zwei Pampers-Windeln in die Hose genäht.«
Die Branche grinste. Nur wer von Merkel als Zielscheibe benutzt wurde, der hatte nichts zu lachen. In Diensten des Blattes war fast alles erlaubt. Und ob er seine Sprüche immer selbst erfunden hat, oder ob hier die Bild-Redakteure, versteckt hinter der »Marke Merkel«, mal Pfeile abschießen wollten - geschenkt. Hauptsache: Das hatte oft Kabarett-Format.
Zur Lachnummer ist der Trainer in seiner Karriere allerdings auch mehrfach selbst geworden. Wie nach der Meisterschaft in Nürnberg. Sein Doppelfehler: zu wenig Zuckerbrot, zu oft die Peitsche. Damals, 1968, hatte er die Spieler so angetrieben und ausgelaugt, dass sie gleich nach dem Titeltriumph abgestiegen sind. Ein Bundesliga-Novum bis zum heutigen Tag. Merkel wurde selbstverständlich vorzeitig entlassen.
Auch beim FC Schalke 04 (1975/1976) erhielt »MM« schon bald wieder die Papiere. Dabei hatte er sich zum Amtsantritt noch revier-gerecht ablichten lassen. Auf einer Halde, Ball in der Hand. Das Bild kam in Gelsenkirchen gut an.
Merkel nicht. Aber reichlich »Kohle« gab es von Königsblauen trotzdem. Der eiskalte Pokerer, er hatte sich selbstverständlich eine dicke Abfindung in den Vertrag schreiben lassen: »Image habe ich genug, nur Bargeld fehlt.«
Noch so ein Spruch. Merkel über Merkel. Aber das war natürlich Ironie. Denn bei ihm stimmte sie immer, die »Marie«.

Artikel vom 30.11.2006